Herman Sörgel hatte eine Vision: Er wollte mit dem Zug ohne Umwege von Berlin direkt bis Kapstadt fahren. Jedem ist sofort klar, da ist doch etwas im Weg: das Mittelmeer. Doch er fand hierfür eine ganz pragmatische Lösung: Er wollte das Mittelmeer mit mehreren Dämmen einfach trockenlegen und so die beiden Kontinente miteinander verbinden. Das Projekt Atlantropa war geboren.
Anfang der 1920er-Jahre begann Herman Sörgel zusammen mit dem Schweizer Ingenieur Bruno Siegwart die Planung des Staudamms Atlantropa an der Meerenge von Gibraltar. Sie entschieden sich bei den Planungen nicht für die schmalste Stelle, sondern für eine circa 20 Kilometer westlich davon gelegene. Nach Sörgels Aufzeichnungen sollte allein das Fundament 2,5 Kilometer breit und bis zu 300 Meter hoch sein. Die Bauzeit wurde mit zehn Jahren veranschlagt. In fünf Schichten sollten je 200000 Arbeiter eingesetzt werden. Ungeklärt blieben die logistischen Probleme bei der Baumaterialbeschaffung und dem Arbeitertransport.
Das Großprojekt basierte auf der Beobachtung, dass ständig Wasser aus dem Atlantik und dem Schwarzen Meer in das Mittelmeer strömt, da dort mehr Wasser verdunstet als seine Zuflüsse ausgleichen. Durch einen Staudammbau sollte dieser Zufluss einerseits verringert werden, um zur Neulandgewinnung –es wäre etwa die Fläche Spaniens entstanden – den Meeresspiegel um bis zu 200 m abzusenken, andererseits sollte der Restzufluss zur Stromerzeugung mittels Wasserkraft genutzt werden.
Ein Aufschrei kam allerdings aus der Lagunenstadt Venedig, denn auch dort wäre man auf dem Trockenen gesessen. Doch auch für dieses Problem hatte Herman eine Lösung. Er plante einen weiteren Staudamm und einen künstlichen See, der die venezianische Lagune vor dem Austrocknen bewahren sollte.
Wie ernst es mit dem Projekt war, zeigt die Tatsache, dass 1940 nach langer Planung der Verein „Atlantropa-Institut“ gegründet wurde, der auch nach dem Tod von Sörgel noch bis 1960 betrieben wurde und versuchte, Geld für die Realisierung des Projektes aufzutreiben.
Aus heutiger Sicht ist Atlantropa wohl vom Tisch. Zu groß sind einfach die klimatischen und ökologischen Nachteile. Allein die Verdrängung der Wassermenge aus dem Mittelmeer würde Küstenstädte wie Hamburg oder New York unter Wasser setzen. Der Golfstrom würde abreißen und in Europa würde es deutlich kälter. Und was auch klar gegen das Projekt spricht: Können Sie sich die Verspätung der Deutschen Bahn auf der Strecke von Berlin nach Kapstadt vorstellen?
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