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Vorhandene Synergien nutzen

Prozessintensivierung durch anorganische Membranreaktoren
Vorhandene Synergien nutzen

Integrierte Verfahrenskonzepte, die über die traditionelle Prozesstechnik der unit operations hinausgehen, steigern die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Deshalb werden verstärkt Techniken untersucht, die zu wirtschaftlichen und umweltfreundlichen Prozessen unter optimaler Ausnutzung von Rohstoffen und Energie führen. Eine Möglichkeit der Prozessintensivierung ist die Kopplung verschiedener Grundoperationen in einem multifunktionalen Reaktor.

Dipl.-Ing. Melanie Boder, Dipl.-Ing. Volker Höllein

Der weltweite Umsatz mit Membranprodukten wird im Jahr 2000 rund 5 Mrd. US$ betragen (Abb. 1), was einer jährlichen Steigerungsrate von etwa 8% entspricht. Kommerzialisiert sind heute im wesentlichen Verfahren wie Mikro- und Ultrafiltration, Umkehrosmose, Elektrodialyse, Gastrennung und Pervaporation, bei denen der jeweilige Apparat ausschließlich der Abtrennung fester, flüssiger oder gasförmiger Komponenten aus Stoffgemischen dient. Um vorhandene Synergien zur Prozessintensivierung zu nutzen, werden zunehmend chemische Reaktionen einbezogen. Die Fortschritte aktueller Forschungsprojekte an multifunktionalen Membranreaktoren lassen auf eine baldige industrielle Realisierung hoffen.
Anorganische Membranen
Anorganischen Membranen kommt aufgrund ihrer hohen chemischen und thermischen Beständigkeit eine besondere Bedeutung zu. Es können prinzipiell drei Typen unterschieden werden: poröse und dichte Membranen sowie Kompositmembranen. Poröse Membranen zeichnen sich durch hohe Permeabilitäten aus, besitzen aber häufig eine begrenzte Trennselektivität. Typische Materialien sind makro- und mesoporöse Keramiken, Vycorglas und poröse Metalle, sowie mikroporöse Stoffe wie Zeolithe, Kohlenstoff und SiO2-Glas. Selektiver, aber im allgemeinen weniger durchlässig, sind dichte Membranen, die aus Metallen, SiO2-Glas oder keramischen Festelektrolyten bestehen. Um Selektivität und Permeabilität zu maximieren, werden dichte Membranen oft als dünne Schicht auf einen kompatiblen porösen Keramik-, Glas- oder Metallträger aufgebracht. Ein weiterer Vorteil der Kompositmembranen liegt vor allem bei Edelmetallen in den geringeren Kosten.
Reaktorkonzepte
Gemäß IUPAC-Definition ist ein Membranreaktor ein Reaktor mit integrierter Membrantrennung in einem Apparat. Die Membran kann katalytisch aktiv wirken oder mit einem katalytisch aktiven Material beschichtet sein. Alternativ werden konventionelle Katalysatoren, zum Beispiel als Festbett, Wirbelschicht oder suspendierte Partikeln, in Kombination mit einer inerten Membran verwendet. Auch eine Verknüpfung beider Prinzipien ist unter Umständen angebracht. Dabei ist die Abstimmung der Reaktionsgeschwindigkeit auf die Permeationsgeschwindigkeit der übertretenden Komponente entscheidend. Bei integrierter Produktabtrennung muss die Produktmenge möglichst vollständig über die Membranfläche entfernt werden.
Katalytischer Membranreaktor
Die Kombination von Reaktion und Stofftrennung in der Membran ist interessant für Reaktionen, bei denen die Reaktion am Katalysator sehr schnell abläuft und hohe Packungsdichten gefragt sind. Um große Raum-Zeit-Ausbeuten zu erzielen, bieten sich Kapillar- und Hohlfaser- sowie Plattenmodule an.
Zu dieser Kategorie gehört zum Beispiel auch die keramische Brennstoffzelle SOFC (Abb. 2). Katalytisch wirksame Elektroden sind hier auf einer Festelektrolytmembran platziert. Im wirtschaftlich interessanten Betrieb mit Erdgas findet in der SOFC eine Reformierung der Kohlenwasserstoffe an der Brennstoffelektrode (Anode) statt. Der erzeugte Wasserstoff wird anschließend elektrochemisch oxidiert. Reaktionspartner hierfür ist Sauerstoff, der an der Kathode aufgenommen und durch den oxidionenleitenden Festelektrolyten (z. B. stabilisiertes ZrO2) in den Anodenraum transportiert wird. Die Elektronen werden über einen äußeren Stromkreis ausgetauscht und liefern so die elektrische Energie. Die katalytischen Eigenschaften verbesserter Anodenmaterialien werden in der Arbeitsgruppe Technische Chemie am Karl-Winnacker-Institut der Dechema untersucht.
Katalytischer Reaktormit inerter Membran
Durch die Trennung des festen Katalysators und der inerten Membran ist die volumenbezogene Membranfläche geringer. Für dieses Reaktorkonzept werden häufig Rohrmodule eingesetzt. Es eignet sich für Anwendungen, die durch die Reaktion limitiert werden und bei denen der Stofftransport durch die Membran ausreichend schnell erfolgt. Bei partiellen Oxidations- oder Hydrierungsreaktionen können Selektivität und Ausbeute des erwünschten Produktes durch die kontrollierte Zufuhr von Sauerstoff oder Wasserstoff über die Länge des Reaktors gesteigert werden. Ein gegenwärtig mit hohem Aufwand untersuchtes Verfahren an der Schwelle zur industriellen Anwendung ist die partielle Oxidation von Methan zu Synthesegas unter Einsatz von dichten keramischen mischleitenden Membranen. Der entscheidende Vorteil dieser Variante beruht auf der Trennselektivität der Membran. Sie lässt den Stickstoff in der komprimierten Luft nicht passieren, so dass die beim konventionellen Verfahren erforderliche Luftzerlegung entfallen kann. Dadurch könnten die Investitionskosten des gesamten Verfahrens um mehr als 30% gesenkt werden. Ohne die Vormischung der Reaktanden sind die Sauerstoffpartialdrücke im Reaktionsraum geringer und die Selektivität höher. Der Prozess ist im Gegensatz zur endothermen Dampfspaltung von Methan autotherm durchführbar. Die für den Ionentransport erforderliche Temperatur von etwa 900 °C wird durch die exotherme Reaktion aufrechterhalten. Die Funktionsfähigkeit des Verfahrens konnte im Labormaßstab über mehrere tausend Stunden erfolgreich nachgewiesen werden. Die aktuelle Forschung beschäftigt sich mit einer Verbesserung der Leitfähigkeit der Membranen, mit einer zuverlässigen Hochtemperatur-Abdichtung und mit der Lösung von Festigkeitsproblemen. Diese entstehen durch die große transmembrane Druckdifferenz bis über 10 bar. Eine seit langem mit großem technischem Interesse begleitete Anwendung betrifft die Ausbeutesteigerung bei gleichgewichtslimitierten Reaktionen durch selektive Entfernung von Reaktionsprodukten. Hier sind insbesondere Kohlenwasserstoffdehydrierungen interessant. Reaktionen, die in der Arbeitsgruppe Technische Chemie am Karl-Winnacker-Institut untersucht werden, sind die Dehydrierung von Propan zu Propen und von Ethylbenzol zu Styrol.
Dehydrierung von Ethylbenzol
Der weltweite Bedarf an Styrol betrug 1996 etwa 20 Mio. jato und wird zu über 90% durch katalytische Dehydrierung von Ethylbenzol gedeckt. Deutliche Ausbeutesteigerungen verspricht man sich bei diesem Verfahren durch eine selektive Entfernung des entstehenden Wasserstoffes. Dadurch lässt sich das Gleichgewicht der Reaktion auf die Seite der Produkte verschieben, im Idealfall bis zur vollständigen Umsetzung des Edukts. Für diese Aufgabenstellung sind Reaktorkonzepte mit integrierter Membran und Hybridkonzepte, bestehend aus einer Hintereinanderschaltung eines gewöhnlichen Dehydrierungsreaktors und eines Membranreaktors, möglich. Weiterhin kann die Membran ausschließlich der H2-Abtrennung dienen oder eine zusätzliche katalytische Funktion besitzen. Zur Entfernung des Wasserstoffes auf der Permeatseite gibt es drei Möglichkeiten:
• Verwendung eines (inerten) Spülgases,
• Erzeugung einer Druckdifferenz (Unterdruck) und
• Oxidation des Wasserstoffs mit einem sauerstoffhaltigen Spülgas.
Bei der Oxidation entsteht durch die exotherme Verbrennung des H2 eine ausreichende Wärmemenge für die endotherme Dehydrierungsreaktion. Mit dieser autothermen Betriebsweise lassen sich die Betriebskosten senken.
Die richtige Membran
Die Prozessbedingungen bei Kohlenwasserstoffdehydrierungen stellen hohe Anforderungen an die eingesetzten Membranen. Sie müssen hohe Permeabilität bei gleichzeitig hoher Selektivität für H2 aufweisen. Darüber hinaus ist eine ausreichende mechanische, thermische und chemische Stabilität unerlässlich. Erfolgversprechend erscheint der Einsatz von Kompositmembranen mit einer dichten, bis etwa 15 µm dicken Trennschicht Palladium-Legierungen auf einem porösen Träger. Als Träger eignen sich Mikrofiltrationsmembranen auf keramischer oder Sintermetallbasis mit Porengrößen von 60 bis 200 nm. Solche Membranen sind jedoch kommerziell derzeit nicht verfügbar. Verschiedenste Methoden zur Präparation von Metall-Kompositmembranen wurden bisher erprobt und publiziert. Am aussichtsreichsten erwiesen sich nasschemische Abscheideverfahren. Abbildung 3 zeigt beispielhaft einige REM-Aufnahmen einer nasschemisch präparierten Palladium-Keramikmembran.
Experimentelle Ergebnisse
Die Dehydrierungsexperimente im Labormembranreaktor liefern den Nachweis, dass durch den Einsatz H2-selektiver Membranen die Produktausbeute im Vergleich zur Reaktion im herkömmlichen Festbett erhöht werden kann. Der verwendete Labormembranreaktor besteht aus zwei konzentrischen Rohren. Der Reaktionsraum befindet sich im Ringspalt zwischen Membran (inneres Rohr) und dem äußeren Zylinder und ist mit einem kommerziellen Styrolkatalysator (Fe2O3/K2O) gefüllt. In Abbildung 4 ist der Anstieg des Umsatzgrades und der Styrolausbeute im Vergleich zum konventionellen Festbettreaktor als Funktion des normierten Spülgasstromes dargestellt. Für diese Experimente wurde eine nasschemisch beschichtete Palladium-Keramikmembran mit einer Palladiumdicke von ca. 5 µm eingesetzt. Die Reaktionstemperatur betrug 580 °C. Der übergetretene Wasserstoff wurde mittels Stickstoffspülung entfernt. Es zeigte sich, dass durch den Einsatz der Membran ein relativer Zuwachs des Umsatzgrades und der Styrolausbeute von bis zu 15% zu erreichen ist.
Halle 1.2, Stand A9-B12
E cav 201
Nachgefragt Zukunft multifunktionaler Reaktoren
Die Arbeitsgruppe Technische Chemie des Karl-Winnacker-Instituts der Dechema beschäftigt sich im Rahmen verschiedener Forschungsvorhaben mit Membranreaktoren zur Durchführung heterogen katalysierter Reaktionen. Diese Aktivitäten werden auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene gefördert und zusätzlich durch Industrieunternehmen unterstützt. Die Problemstellungen umfassen sowohl Membranreaktorkonzepte mit inerten als auch mit katalytisch aktiven Membranen. cav sprach mit Dr. Roland Dittmeyer, Leiter der Arbeitsgruppe Technische Chemie, über die Marktchancen multifunktionaler Reaktoren und die zukünftigen Forschungsvorhaben auf diesem Gebiet.
cav Wie beurteilen Sie die Chancen für eine industrielle Realisierung multifunktionaler Reaktoren?
Dr. Dittmeyer Multifunktionale Reaktorkonzepte in der Katalyse haben als Gemeinsamkeit die geschickte Verbindung von reaktionstechnischen Maßnahmen mit der katalytischen Steuerung des Reaktionsablaufs. Die chemische und verfahrenstechnische Industrie beobachtet diese Entwicklungen sehr genau, vor allem in den USA ist die Industrie zum Teil massiv an den Forschungsanstrengungen beteiligt. Viele Membranreaktorkonzepte können heute im Labormaßstab erfolgreich demonstriert werden. Für eine technische Umsetzung müssen die Membraneigenschaften jedoch noch verbessert werden. Gefordert werden insbesondere hohe Selektivität und Permeation bei guter Beständigkeit gegen Temperatur und Medien, geringe Foulingneigung und vertretbare Kosten.
cav Der Forschungsschwerpunkt Ihrer Arbeitsgruppe liegt auf der Untersuchung anorganischer Membranen. Sehen Sie ein Zukunftspotential in diesem Bereich?
Dr. Dittmeyer Anorganischen Membranen werden wegen der guten Temperatur- und Medienresistenz besonders große Wachstumschancen eingeräumt, vor allem mikroporösen und gemischt ionisch/elektronisch leitenden Materialien. Hauptanwendung sind Membrantrennverfahren wie Nanofiltration, Gastrennung und Pervaporation. Setzen sich anorganische Membranen auf diesen Feldern durch, so wird dies auch die Kommerzialisierung von Membranreaktoren entscheidend fördern, die heute noch auf bestimmte Anwendungen in biokatalytischen Prozessen beschränkt ist.
cav Welche Schritte sind Ihrer Meinung nach notwendig, um die Kommerzialisierung der Verfahren voranzutreiben?
Dr. Dittmeyer Die technologischen Herausforderungen liegen vor allem in der Erzeugung dünner fehlstellenfreier Schichten auf porösen Trägern sowie in der Entwicklung von stabilen anorganischen Membranmodulen mit hoher Packungsdichte. Bei katalytischen Membranen müssen Katalysator und Membran gezielt aufeinander abgestimmt bzw. auf mikroskopischer Ebene kombiniert werden, um die Vorteile der Multifunktionalität zu nutzen. Nicht zuletzt an dieser Stelle besteht noch großer Forschungs- und Entwicklungsbedarf.
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