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Wärmeübertrager im Baukastensystem

Mit universeller Chemikalienbeständigkeit
Wärmeübertrager im Baukastensystem

Zwei Tendenzen kennzeichnen das Gebiet der Wärmeübertrager aus hochkorrosionsbeständigen Werkstoffen. Es gibt einmal vergleichsweise kostengünstige Apparate aus Materialien wie Glas oder Graphit, die eine selektive Chemikalienbeständigkeit besitzen, aber auch Probleme bei Thermoschockbelastungen aufwerfen und zum anderen sehr kostenintensive Werkstoffe wie Tantal, mit einer wesentlich breiteren Chemikalienbeständigkeit.

Dr.-Ing. Matthias Reitz

Flurosic-Wärmeübertrager kann man für hochaggressive Anwendungen etwa dazwischen einordnen, allerdings mit einer ebenfalls nahezu universellen chemischen Beständigkeit. Flurosic steht für die Kombination an hochwertigem Fluor-Kunststoff und Siliziumkarbid (SiC) innerhalb eines Apparates. Siliziumcarbid ist ein sehr guter Wärmeleiter mit einer für diesen Anwendungsbereich mittleren Wärmeleitzahl von 115 W/mK. Zusätzlich müssen Rohrböden, Mantel und/oder Vorköpfe korrosionsgeschützt sein. Diese Aufgabe übernimmt der Fluorkunststoff in Form einer dickwandigen PTFE- bzw. PFA-Umkleidung (Abb. 1).
Neben der Chemikalienbeständigkeit, den thermischen Eigenschaften des Wärmeübertragungsmaterials und der Thermoschockbeständigkeit gehören auch Temperatur- und Druckbelastbarkeit, Zuverlässigkeit, Montierbarkeit bzw. Zugänglichkeit und Wirtschaftlichkeit zum Anforderungsprofil solcher Wärmeübertrager. Mit dem Flurosic-Apparat wird ein weiterer Schritt zur Optimierung innerhalb dieses Spannungsfeldes getan.
Konstruktion
Hauptproblem bei einem solchen Wärmeübertrager ist die Verbindung der SiC-Rohre mit der Rohrbodenplatte. Eine Schweiß- oder Klebeverbindung ist weder möglich noch sinnvoll.
Ein bewährtes Prinzip ist die Abdichtung der Rohre mittels O-Ringe. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine davon ist die sogenannte Einzelrohrabdichtung, bei der für jedes Rohr eine gesonderte Abdichtung im Rohrboden über eine Art Stopfbuchse erfolgt. Wegen der chemischen Beständigkeit handelt es sich dabei meist um ein PTFE-Gewindeteil. Aus den langjährigen Erfahrungen im Umgang mit PTFE ist bekannt, daß PTFE-Teile dieser Art, die die gesamte Dichtpressung am Rohr erzeugen, insbesondere unter Temperatureinwirkung als kraftführende Teile ungeeignet sind. Deshalb wird im Falle des Flurosic ein anderer Weg beschritten.
Für die Rohreinbindung im Rohrboden wird dieser geteilt vorgesehen (Abb. 2).
Ein innenliegender, kleinerer Rohrboden (1) justiert die Rohre des Bündels und ist so bemessen, daß er durch den Mantel hindurch bewegt werden kann. Der äußere Rohrboden (2) hat einen größeren Durchmesser und trennt den Mantelraum vom Vorkopf und dichtet beide gegenüber der Umgebung ab. Die Rohrböden bestehen aus dickwandigen Stahlplatten mit einer ca. 4 mm dicken PFA-Umkleidung, die auch die Rohrdurchgänge mit einbezieht. An der einander zugewandten Seite der Platten ist jeweils eine Fase an den Rohrdurchgängen angebracht, in der zur Abdichtung der Rohre O-Ringe (3) sitzen. Die Dichtpressung wird erzeugt, indem die Stahlplatten mit Stahlschrauben (5) verbunden werden. Damit können wesentlich höhere Dichtpressungen bei gleichzeitig besserer Formstabilität als bei einer PTFE-Verschraubung erzielt werden. Zum Schutz der Stahlschraube ist noch eine PTFE-Kappe (6) vorgesehen, deren Verschraubung aber keinen großen mechanischen Belastungen ausgesetzt ist. Ein zusätzlicher außenliegender Dichtring (4) verhindert, daß im Falle eines Kapillarspaltes zwischen den Platten das Medium des Mantelraumes dort eindringen kann.
Mittels eines speziellen Montagewerkzeuges kann die äußere Rohrplatte auch im Falle von Verkrustungen problemlos entfernt werden und das Rohrbündel kann nach der jeweils anderen Seite aus dem Mantel gezogen werden. Im Gegensatz zu verschweißten Rohrbündelapparaten wird der Mantelraum hier für Wartungs- oder Reinigungsarbeiten zugänglich, und der Wärmeübertrager kann in kürzester Zeit wieder betriebsbereit sein.
Werkstoffe
Siliziumkarbid gibt es in verschiedenen Modifikationen. Der wesentliche Unterschied zu anderen in der Verfahrenstechnik bekannten und angewendeten Typen ist die hohe Reinheit und das Fehlen von freiem Silizium in größeren Anteilen. Das ist die Voraussetzung für die nahezu universelle chemische Beständigkeit des Siliziumkarbids Hexoloy. In der Tabelle werden einige Abtragsraten dieses Materials unter Einwirkung verschiedener Chemikalien angegeben. Werte kleiner als 9,9 mg/(cm² a) erlauben einen langfristigen Einsatz.
Die Kombination SiC-Rohre in einem PFA-umkleideten Rohrboden ist die Basisausführung für alle derartigen Wärmeübertrager im hochkorrosiven Bereich.
In der Grundversion dieser Wärmeübertrager übernimmt der Fluorkunststoff PTFE im Mantel und /oder in den Vorköpfen die Aufgabe des Korrosionsschutzes. Die Auskleidungsstärken liegen je nach Bauteil zwischen 3,5 und 5,5 mm. Passend zu diesen hochwertigen Materialien werden auch die Rohrabdichtungen bzw. alle Dichtringe in FFKM, wie Parofluor oder Kalrez, oder auch in FPM-Viton eingesetzt.
Nicht in jedem Fall ist der Wärmeübertrager auf beiden Prozeßseiten hochkorrosionsfest auszuführen. Für Mäntel und Vorköpfe gibt es weitere Werkstoffalternativen, die vor allem die Wirtschaftlichkeit beeinflussen: C-Stahl, Edelstahl, Emaillierung, Glas, Kunststoff und Beschichtungen.
Die Emaillierung wird insbesondere dann zur Anwendung kommen, wenn auf der Seite des aggressiven Mediums Vakuum bzw. eine Vakuumgefahr auftritt. Für die Umlenk- und Stabilisierungselemente gilt je nach Medium eine ähnliche Werkstoffvielfalt.
Baukastenprinzip
Prinzipiell kann der Flurosic-Wärmeübertrager in seine Einzelteile zerlegt und in kurzer Zeit wieder montiert werden. Für Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten, aber auch für den Wechsel des Einsatzgebietes (z.B. Aufrüstung mit höherwertigen und chemisch beständigeren Komponenten) ist dies eine wichtige Voraussetzung. Insbesondere die mantelseitige Zugänglichkeit eröffnet einen zusätzlichen Spielraum für die optimale Betriebsweise des Apparates.
Auch in den verschiedenen Bauteilen, wie Mantel und Vorköpfe, gibt es eine große Gestaltungsvielfalt. Vorköpfe müssen nicht nur als Klöpperböden gefertigt werden. Gerade bei PTFE-Auskleidung sind auch Flachböden, Standard-Reduzierstücke, T-Stücke und andere Ausführungen denkbar. Die Prozeßführung bestimmt die Vorkopfgestaltung. Bewährt hat sich diese Variabilität insbesondere bei Brüdenanschlußleitungen oder bei dem Erfordernis der Separation eines Zweiphasengemisches aus Kondensat und Inerten.
Die Möglichkeit, den Rohrbündelwärmeübertrager nicht, wie bei rein metallischen Apparaten, als starres, verschweißtes Gebilde betrachten zu müssen, ermöglicht den Einbau des SiC-Rohrbündels überall, wo zwei parallel gegenüberliegende Flansche der Nennweite des Rohrbodens entsprechend realisierbar sind. Dabei ist es unerheblich, ob dazwischen ein Wärmeübertragermantel, ein Rührgefäß oder Teile einer Kolonne angeordnet sind.
Aus Gründen der Standardisierung und Ersatzteilhaltung ist eine 0,5-m-Abstufung der Rohrlängen zweckmäßig. Der Nennweitenbereich erstreckt sich von DN 100 bis DN 400 und die Bündellängen von 1,0 bis 4,0 m. Innerhalb dieses Baugrößenspektrums werden in enger Abstufung Übertragungsflächen von 0,3 bis 30 m² erreicht.
Die Betriebsgrenzen des Flurosic-Wärmeübertragers werden nicht durch das verwendete Siliziumkarbid, sondern durch den Fluorkunststoff bestimmt. In Versuchen hat sich das Dichtsystem im gesamten Temperaturbereich und bis über 10 bar Druck bewährt.
Als Belastungsgrenzen werden angegeben:
• Temperatur: -10 °C bis +180 °C
• Druck: -1 bis +8 bar
Abweichungen von diesem Arbeitsbereich sind unter Berücksichtigung weiterer Maßnahmen möglich und wurden auch schon realisiert. Das Konstruktionsprinzip erlaubt, auch rohrseitig zwei- und viergängige Apparate auszuführen.
Anwendungsgebiete
Anwendungen dieser Wärmeübertrager bestehen auf folgenden Gebieten:
• Wärmeübertragung flüssig / flüssig,
• Wärmeübertragung gasförmig / flüssig,
• Kondensatoren,
• Fallfilmabsorber.
Darüber hinaus ist die Verwendung als Verdampfer, Umlaufverdampfer oder isothermer Rohrreaktor, auch mit Einsatz statischer Mischer, denkbar. Inzwischen wird auch ein breites Chemikalienspektrum mit diesem Wärmeübertragertyp abgedeckt. Dazu gehören salzsaure organische Gemische, Schwefelsäure, Salzsäure, Flußsäure, Fluor-, Chlor-, Bromwasserstoff, spezielle Salzlösungen und Phosphoroxychlorid.
Einen Schwerpunkt unter den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten bilden Mehrzweckanlagen.
In Abbildung 3 ist ein Schema einer solchen Anlage mit den Komponenten Hauptkondensator, Nachkondensator und Kondensatkühler gezeigt. Eine aus häufigem Produktwechsel resultierende universelle Chemikalienbeständigkeit, Temperaturwechselbeständigkeit und Produktreinheit durch Vermeidung von Auswaschungen oder Ab- tragungen gewährleistet der Flurosic-Wärmeübertrager.
Betriebserfahrungen
Die praktischen Erfahrungen mit diesem Apparatetyp erstrecken sich auf ca. zwei Jahre. In allen Anwendungen arbeiten die Wärmeübertrager stabil und entsprechen den Leistungsanforderungen. In einem Fall wurde im Tieftemperaturbereich durch eine Zusatzmaßnahme die stabile Betriebsweise ebenfalls erreicht.
Innerhalb einer Untersuchung wurde ein Versuchswärmeübertrager zu einem Graphit-Wärmeübertrager parallel geschaltet. Die wichtigsten Erfahrungen daraus zeigten, daß der SiC-Wärmeübertrager eine wesentlich höhere Kondensationsleistung besaß, daß der Strömungswiderstand der Produktseite wesentlich geringer war und auch der Wärmedurchgang den des Graphit-Wärmeübertragers übertraf.
Angesichts der Komplexität der thermodynamischen Einflußgrößen auf den Wärmeübertragungsprozeß und der noch hinzukommenden konstruktiven Einflüsse, ist eine konkrete, zahlenmäßige Angabe zur Relation der Leistungsdaten von unterschiedlichen Wärmeübertragern meist unhaltbar.
Die o.g. qualitative Einschätzung im Vergleich zu Graphit- oder anderen Wärmeübertragern wird allerdings gestützt durch eine Modellbetrachtung, bei der die Stoffeigenschaften, thermischen und hydrodynamischen Bedingungen beider Fluide in unterschiedlichen Apparaten als gleich angesehen werden, so daß die Unterschiede der k-Zahl nur noch den Einfluß des Werkstoffes (Wärmeleitfähigkeit) und den der Wanddicke des Wärmeübertragungsmaterials ausdrücken. In Abbildungen 4 und 5 sind diese Verhältnisse wiedergegeben.
Als Fazit der Modellrechnung und der praktischen Erfahrungen kann man je nach Annäherung an das Auslegungsoptimum des SiC-Wärmeübertragers oder des Vergleichswärmeübertragers etwa von bis zu 15% Flächeneinsparung gegenüber Tantal und bis zu 30% gegenüber Graphit ausgehen. Für Plattenwärmeübertrager gilt dieser Vergleich nicht.
Zur Betriebscharakteristik eines Rohrbündel-Wärmeübertragers gehört, daß es sich meist um schlanke Apparate handelt. Ein Problem entsteht, wenn ein kleiner Mengenstrom (Folge: kleiner Strömungsquerschnitt und kleine Nennweite des RWÜ) mit einer geringen Triebkraft (Folge: große erforderliche Übertragungsfläche) einhergeht. Große Übertragungsflächen und kleine Nennweiten schließen einander aus. Zur Lösung des Problems wurde der Wärmeübertrager rohrseitig zur Zwei- und Viergängigkeit weiterentwickelt.
Für Betreiber ist aber zu berücksichtigen, daß die dann wirksam werdende Triebkraft-Korrektur die Effektivität ungünstig beeinflussen kann. In jedem Fall ist aus thermodynamischen und aus Wartungs- bzw. Instandhaltungsgründen zu entscheiden, ob eine Reihenschaltung von zwei oder mehr kleinen Apparaten günstiger ist als ein mehrgängiger, großer Apparat.
Eine solche Reihenschaltung zeigt Abbildung 6. Dort wird eine hochaggressive Salzlösung mittels eines Kondensates unter hohem Druck vorgewärmt. Die Übertragungsfläche der vier schlanken DN 150/ 4-m-Wärmeübertrager liegt bei 15 m² und die Betriebstemperaturen bei ca. 130/180 °C.
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