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Roboter in der Lebensmittelindustrie im Aufwind

Coronapandemie und Verbraucheranforderungen als Treiber
Roboter in der Lebensmittelindustrie im Aufwind

Allgemeine Verbrauchertrends, steigende Flexibilitätsanforderungen, aber auch die Corona-Pandemie lassen den Bedarf an Robotik in der Lebensmittelproduktion und -verpackung ansteigen. Die Hersteller der Roboter reagieren darauf mit neuen Modellen. Diese erfüllen zum Teil sogar die spezifischen Vorgaben an ein hygienisches Design im produktberührten Bereich.

Nach einer Statistik des Weltroboterverbandes IFR arbeiten weltweit 81 000 Roboter in der Lebensmittelindustrie. Das ist eher wenig, verglichen mit den 923 000 Robotern in der Automobilindustrie und den 672 000 Robotern in der Elektronikindustrie. Jedoch dürfte der Einsatz von Robotern in der Lebensmittelindustrie in Zukunft zunehmen – nicht nur, aber auch aufgrund der Corona-Pandemie. So ist laut IFR die Nachfrage nach abgepackten Produkten in der Pandemie gestiegen. Und Roboter seien hier gut geeignet, da die Verarbeitung ohne direkten Kontakt von Menschen mit den Nahrungsmitteln den Konsumenten mehr Vertrauen in die Unbedenklichkeit der Produkte gebe, so die IFR.

Ein weiterer durch Corona ausgelöster Trend ist der Wunsch, die Versorgungssicherheit sicherzustellen, sagt Guido Haremsa, regionaler Vertriebsleiter
Roboter bei Fanuc Deutschland: „Daraus erwächst ein steigender Bedarf an Automatisierung bisher manueller Tätigkeiten – besonders end of line etwa bei der Kommissionierung von Produkten – beispielsweise wenn verschiedene Geschmacksrichtungen oder Saisonartikel eines Produkts auf eine Palette oder in ein Tray sortiert werden sollen.” Hier bieten sich je nach Anwendung klassische Industrieroboter oder Cobots wie der neue Leichtbauroboter CRX von Fanuc an.

Individualisierung durch Flexibilität

Zudem forcieren der Online-Handel und der Trend zu mehr Personalisierung den Robotereinsatz, ergänzt Marc Segura, Managing Director Consumer Segments & Service Robotics bei ABB: „Der größte Treiber für die Automatisierung im Verpackungssegment ist sicher die voranschreitende Personalisierung von Konsumgütern. Besonders im Bereich des E-Commerce sind Kunden mittlerweile daran gewöhnt, auf sie individuell zugeschnittene Produkte, aber auch Verpackungen zu erhalten, die ihren Wünschen exakt entsprechen.“

Dass diese Tendenz zu immer mehr Varianten mit immer kleineren Losgrößen den Roboterherstellern in die Karten spielt, bestätigt Peter Pühringer, Geschäftsführer von Stäubli Robotics, Bayreuth: „Denn die Automatisierungslösungen müssen immer flexibler werden. Und die geforderte Flexibilität lässt sich nun mal am besten mit dem Einsatz von Robotern sicherstellen.“

Einsatz im produktberührten Bereich

Der Robotereinsatz in der Lebensmittelverpackung beschränkt sich also nicht mehr allein auf etablierte Anwendungen wie das Palettieren am Ende der Prozesskette. Florian Kohut, Key Account Manager Packaging Industry bei der Robotics-Division von Yaskawa Europe: „Durch ihre hohe Flexibilität sind roboterbasierte Anlagen entlang der gesamten Verpackungskette sinnvoll einsetzbar. Im produktionsnahen Bereich bzw. in Bezug auf Primärverpackung erfüllen Roboter Anforderungen, die sich ansonsten nur mit hohem Aufwand realisieren lassen würden – etwa in Bezug auf immer komplexere Verpackungsaufgaben, Hygienevorschriften und Ergonomie am Arbeitsplatz, aber auch im Hinblick auf den allgemeinen Mangel an Arbeitskräften.”

Um gerade im produktberührten Bereich die Food-spezifischen Vorgaben an ein hygienisches Design zu erfüllen, hat Yaskawa sogar seinen kollaborativen Roboter HC10DTF durch eine spezielle Lackierung fit für den Einsatz in der Primärverpackung gemacht. Auch Fanuc setzt verstärkt auf Lösungen im produktnahen Bereich und greift hier den Trend zum Delta-Roboter auf. Haremsa: „Mit dem neuen Delta-Roboter DR-3iB bieten wir ein passendes Modell im Edelstahldesign für den produktnahen Bereich, der mit lebensmitteltauglichem Fett ausgestattet und beständig gegen Säure und alkalische Reinigungs- und Desinfektionsmittel ist.“

Im lebensmittelnahen Bereich ist Stäubli schon länger tätig. „Zwar finden sich die größten Einsatzmöglichkeiten für Roboter in der Lebensmittelindustrie in den Standardapplikationen in der Sekundär- und Tertiärverpackung, in der oftmals keine speziellen Anforderungen an die Robotik bestehen“, räumt Pühringer ein. „Allerdings verzeichnen gerade die anspruchsvollen Applikationen wie der Einsatz von Robotern an unverpackten Lebensmitteln ein sehr hohes Wachstum.“ Und für Einsätze an offenen Lebensmitteln seien Roboter von Stäubli mit ihrem geschlossenen Hygienedesign mit Washdown-Fähigkeit sowie minimalen
Partikelemissionen prädestiniert. Kein Wunder: Man habe sich in Bayreuth schon vor über 25 Jahren frühzeitig auf solche Einsätze fokussiert, so Pühringer, „zu einer Zeit, als diese Segmente zumindest im Hinblick auf die Automation noch als Nischenmärkte galten und der Absatz an Robotern denkbar gering war.“

Lebensmitteltaugliche Schmierstoffe

In der Primärverpackung im Food-Bereich sind es vor allem die mehrmals täglich anfallenden, intensiven Reinigungsprozedere der Anlagen, die den Einsatz konventioneller Roboter hier unmöglich machen. „Deshalb bieten wir hier mittlerweile unser komplettes Roboterprogramm an Vier- und Sechsachsrobotern in den Ausführungen HE und H1 an“, sagt Pühringer von Stäubli. HE steht für Humid Environment und kennzeichnet Roboter, die besonders gegen Spritzwasserbeaufschlagung geschützt sind und sich mit dem Hochdruckreiniger intensiv säubern lassen – selbst mit aggressiven Reinigungsmedien.

Kohut von Yaskawa ergänzt: „Das hygienische Design betrifft bei Robotern aber nicht nur die Oberflächen, sondern auch die eingesetzten Schmierstoffe.“ Speziell für die Lebensmittelindustrie hat Yaskawa deshalb beispielsweise die Roboterserie Motoman GP FGG entwickelt. Die Buchstaben FGG stehen dabei für Food Grade Grease. „Hier werden ausschließlich Schmierstoffe verwendet, die für den Einsatz in der Nahrungsmittelproduktion zugelassen sind.“

Um Kontaminationsrisiken beim Robotereinsatz an offenen Lebensmitteln zu minimieren, bietet auch Stäubli alle Robotermodelle mit H1-Option an, was für den Einsatz von lebensmittelverträglichem Öl der Klasse NSF-H1 steht. Pühringer: „Dabei garantieren wir auch bei Verwendung dieses Spezialschmierstoffes die volle Leistungsfähigkeit unserer Roboter.“

Delta-Portfolio ausgebaut

ABB hat ebenfalls eine Reihe von Pick-and-place-Robotern entwickelt, die speziell auf die Bedürfnisse der Lebensmittelindustrie zugeschnitten und besonders leicht zu säubern sind, sagt Segura. Im nächsten Jahr plane man die Veröffentlichung einer neuen Produktserie für den Einsatz in der Lebensmittelbranche. „Die Erweiterung umfasst dabei Roboter in hygienegerechten Ausführungen, um eine sichere und offene Lebensmittelverarbeitung zu ermöglichen.“ Passend dazu hat ABB kürzlich den niederländischen Delta-Roboter-spezialisten Codian Robotics übernommen. „Damit ist es uns gelungen, unser Portfolio für Anwendungen mit hohen Hygieneanforderungen signifikant auszubauen“, freut sich Segura.

Im Verpackungssegment profitiert ABB auch von den ergänzenden Angeboten der Tochter B&R. Wlady Martino, Branchenexperte für die Verpackungsindustrie bei B&R: „Wir bieten viele Produkte in speziellen Hygieneausführungen an. Das Angebot reicht von Bedienpanels über Motoren bis hin zu einer speziellen Washdown-Variante des intelligenten Tracksystems Acopostrak in IP 69K. In Kürze werden wir dieses Angebot noch um die speziellen Hygiene-Delta-Roboter von Codian ergänzen.”

Und B&R kann noch ein weiteres Argument in die Waagschale werfen: „Um die lückenlose Rückverfolgbarkeit der Produkte zu gewährleisten, ermöglicht unser Mapp-Software-Paket unter anderem eine manipulationssichere Archivierung von Produktionsdaten und eine Benutzerverwaltung, die den Vorgaben der FDA 21 Part 11 entspricht.”

www.prozesstechnik-online.de

Suchwort: Roboter


Die Komplettlösung Air Grip World von Yaskawa ermöglicht sichere, flexible und schnelle Prozesse beim Be- und Entladen von Kästen oder Kartons
Bild: Yaskawa

Kurz und Bündig:   Produktentwicklungen

Die Komplettlösung Air Grip World von Yaskawa für das roboterbasierte Handling von Flaschen wurde beim Robotics Award der Deutschen Messe ausgezeichnet. Das System ermöglicht sichere, flexible und schnelle Prozesse beim Be- und Entladen von Kästen oder Kartons. Es kombiniert dabei die patentierte Air-Grip-Greifertechnologie nicht nur mit dem passenden Motoman-Roboter, sondern mit der kompletten erforderlichen Anlagenumgebung: Greifer, Manipulator, Robotersteuerung, SPS, Bedienfeld (HMI) und Frequenzumrichter stammen von Yaskawa und ergänzen sich zu einer technisch einfachen Lösung.

Neu ist auch der Delta-Roboter DR-3iB von Fanuc. Durch die Bewegungsleistung mit einer Geschwindigkeit von bis zu 10 000 mm/sec eignet er sich für typische Pick-and-place- sowie Verpackungsanwendungen in der Lebensmittelindustrie. Der Roboter hat eine Nutzlast von 8 kg, eine horizontale Reichweite von 1600 mm und eine vertikale Reichweite von 500 mm. Er ist mit einer lackierten oder einer beschichteten Oberfläche erhältlich und kann mit beiden Oberflächenarten für Applikationen in der Lebensmittelindustrie eingesetzt werden. Die beschichtete Variante hat den zusätzlichen Vorteil, dass die Gefahr des Abplatzens von Farbe in die Lebensmittel ausgeschlossen ist. Grundsätzlich sind die Roboter an allen Achsen mit lebensmitteltauglichem Fett ausgestattet und beständig gegen Säure und alkalische Reinigungs- und Desinfektionsmittel. Standardmäßig verfügt der Delta-Roboter über die Schutzart IP 67K.

 


Autor: Armin Barnitzke

Stellvertretender
Chefredakteur,

Automationspraxis

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