Leckagen in der Druckluftversorgung stellen für Lebensmittel- und Getränkehersteller einen bedeutenden Kostenfaktor dar. In einer normalen Anlage entfallen 20 bis 30 % der Gesamtenergiekosten auf die Drucklufterzeugung. Nahezu ein Drittel des industriellen Druckluftverbrauchs wird durch Leckagen verursacht. Deren frühzeitige Erkennung und Identifizierung kann den Energieverbrauch einer Anlage im Lebensmittel- und Getränkebetrieb erheblich senken. Gleichzeitig reduziert dies den CO2-Fußabdruck und die Wartungskosten und verhindert ungeplante Ausfallzeiten durch eine bessere Gesamteffizienz.
IIoT-Ingenieure von Emerson haben ein Modell entwickelt, das auf maschinellem Lernen basiert und das Verhalten von Druckluftanlagen vorhersagt. Treten geringfügige Abweichungen vom erwarteten Verhalten auf, kann das Modell die entsprechenden Anomalien erkennen und ihre Lage innerhalb der Anlage genau bestimmen. Dies kann den Wirkungsgrad des Gesamtsystems wesentlich steigern.
Aus reaktiv wird proaktiv
Vorausschauende Machine-Learning-Modelle mögen auch für diejenigen neu sein, die bereits mit der digitalen Transformation der Lebensmittelindustrie vertraut sind und die Vorteile von Echtzeitüberwachung und -messung kennen. Auch wenn beide Modelle helfen, Kosten zu senken und Prozesse zu optimieren, wirken sie auf unterschiedliche Weise. Bei der Echtzeitüberwachung werden Anwender über einen Vorfall informiert und können unmittelbar darauf reagieren. Vorhersagemodelle hingegen können Probleme gänzlich verhindern, indem sie Informationen darüber liefern, was geschehen wird. Auf diese Weise können Anwender ihre Abläufe optimieren und von reaktiven zu proaktiven Betriebsprozessen übergehen.
Das ist für den Betrieb in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie extrem wertvoll. Sagt das System etwa eine Leckage und deren Entstehungsort voraus, kann die betroffene Komponente frühzeitig bestellt werden. Wartung und Austausch können zeitlich geplant werden, bevor große Mengen an Luft verloren gehen. So kommt es weder zu ungeplanten Ausfallzeiten noch zu unnötigem Energieverbrauch.
Training der Modelle
Schon wenige Sensoren an der Ausrüstung liefern ausreichend Referenzdaten, um ein solches Modell zu trainieren. Aus pneumatischer Sicht sind die zentrale Durchflussrate der Druckluft und die binären Steuersignale der Pneumatikventile aus den SPS-Steuerdaten der Anlage am wichtigsten. Die zentrale Durchflussrate dient als Referenz für den vom Modell erwarteten, idealen Arbeitsablauf. Sie sollte daher ohne bestehende oder potenzielle Leckagen gemessen werden. Weicht der Luftstrom von diesem idealen Ablauf ab, deutet dies auf eine mögliche Leckage hin. Ein Abgleich der Abweichung mit den Binärsignalen des Ventilblocks zeigt genau, wo die Anomalie auftritt.
Im Anwendungsfall von Emerson werden die historischen Daten vom Durchflusssensor Aventics AF2 und einer SPS erfasst. Der AF2 ist in eine Wartungseinheit integriert, die die Pneumatikanlage mit Druckluft versorgt. Während die Druckluft durchströmt, misst der AF2 den Gesamtluftstrom der Anlage und speichert historische Daten in einer Datenbank. Die SPS der Anlage schaltet die entsprechenden Ventile eines Ventilblocks, der mit der Kolben- und Stangenseite einer Reihe von Zylindern verbunden ist. Die binären Schaltsignale werden in derselben Datenbank gespeichert.
Ergänzend zu den historischen Daten sind für ein erfolgreiches dynamisches Luftstrom-Vorhersagemodell Validierungsdaten erforderlich. Zur Erzeugung dieser werden über eine Drossel auf jeder Eingangsversorgungsseite der einzelnen Zylinder Leckagen ausgelöst. Mit den aufgezeichneten Daten dieser künstlichen Leckagen lassen sich die vorhandenen Algorithmen validieren und optimieren, bevor die Lösungen in der Praxis zum Einsatz kommen.
Genaue Vorhersage von Anomalien
Das Machine-Learning-Modell von Emerson hat erfolgreich gelernt, den Luftstrom in industriellen Druckluftanlagen vorherzusagen und erreichte dabei eine Genauigkeit von über 90 %. Es konnte signifikante Anomalien und Leckagen vorhersagen und deren Entstehungsort in der Anlage angeben. Darüber hinaus wurden statistisch signifikante Vorhersagen über schleichende Leckagen getroffen, die sich auf das Verhalten des Gesamtsystems auswirken.
Um das Modell zu trainieren, wurde eine installierte Anlage ohne überwachtes Lernen oder ähnliche Trainingsdaten genutzt. Die verwendeten Trainingsdaten beinhalteten die Messung des Gesamtluftstroms ohne Leckagen. Diese wurden mit den zugehörigen Schaltsignalen abgeglichen und zeigten so die Dynamik der Anlage. Basierend auf den ohne Leckagen erfassten Daten erreichte das trainierte Modell bei der Vorhersagegenauigkeit für den Gesamtluftstrom einen mittleren absoluten Fehler von unter 7 %.
War das Vorhersagemodell für den Luftstrom der erste Schritt, bestand der zweite, komplexere Schritt darin, das Verhalten der Anlage anhand der Ventilschaltsignale zu verstehen. Auf diese Weise sollten schleichende Leckagen vorhergesagt werden. Diese sind schwer zu erkennen und können lange unbemerkt bleiben, was die Zykluszeit allmählich erhöht, die Produktqualität beeinträchtigt und die Energiekosten steigen lässt. Durch das Erkennen schleichender Leckagen können Machine-Learning-Modelle dazu beitragen, den Wirkungsgrad einer Anlage nachhaltig zu verbessern.
Das so erstellte und fortlaufend optimierte Luftstrom-Vorhersagemodell diente als Referenz für die Pneumatikanlage, wobei die empirische Nullverteilung jeder Zylinderseite als zylinderspezifischer Referenzwert fungierte. Beim Auftreten einer Leckage war der gemessene Wert jeweils größer oder kleiner als der Referenzwert. Anhand der Abweichung konnten der defekte Zylinder bzw. das defekte Ventil und die jeweilige Kolben- oder Stangenseite des Bauteils identifiziert werden.
Für die Signifikanzprüfung wurden an der Kolben- und Stangenseite jedes Zylinders manuell Leckagen erzeugt. Der gemessene Wert ist gesunken und wich erheblich vom Referenzwert ab, als auf der Kolbeneingangsseite von Zylinder 3 eine Leckage ausgelöst wurde. Für jeden Zylinder wurden in zwölf Durchläufen sowohl auf der Kolben- als auch auf der Stangenseite Leckagen ausgelöst, wobei die Ergebniswerte erheblich von den Referenzdaten ohne Leckagen abwichen, was auf die exakte Position der ausgelösten Leckagen hinwies.
Die Zukunft im Blick
Die Lebensmittelanlagen von morgen sind nicht reaktiv, sondern proaktiv. Druckluftleckagen vor ihrem Entstehen zu verhindern, hilft Lebensmittel- und Getränkeherstellern, Energie einzusparen und somit Kohlendioxidemissionen und Betriebskosten zu senken. Indem sie die Kosten reduzieren und ungeplante Ausfallzeiten verhindern, können sich Machine-Learning-Modelle schnell bezahlt machen. Durch Integration der Modelle erzielen Unternehmen mehr Transparenz in ihren Abläufen und können letztlich besser Einfluss auf ihre zukünftige Entwicklung nehmen.
Emerson Automation Solutions, Langenfeld
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