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Qualitätsmanager sind Multitalente

Haben den Blick auf das große Ganze und Details
Qualitätsmanager sind Multitalente

Von Codex Alimentarius bis Food Defense: Qualitätsmanagement ist viel mehr als Etikettenchemie. Wer für die Lebensmittelsicherheit zuständig ist, muss nicht nur Gesetze, Normen und Standards kennen, sondern auch exzellent kommunizieren können, sagt Michael Benner, Leiter Strategische Entwicklung Lebensmittel- und Prozesssicherheit am KIN-Lebensmittelinstitut.

Herr Benner, Sie sind Dozent der KIN-Seminare zur Lebensmittelsicherheit und beraten Unternehmen beim Aufbau und der Umsetzung eines Qualitätsmanagementsystems. Worauf kommt es dabei an?

Michael Benner: Im Prinzip unterscheidet man zwei Vorgehensweisen: Der gesetzlich geregelte Bereich und das gesetzlich nicht geregelte Qualitätsmanagement, das sich nach Normen, Managementsystemen und Handelsstandards richtet. Wer diese Regelwerke nicht einhält, muss sich im einfachsten Fall einen anderen Vertriebskanal suchen, im schlimmsten Fall droht die Betriebsschließung und bei Vorsatz sogar eine Gefängnisstrafe.

Womit haben die Betriebe die größeren Schwierigkeiten?

Benner: Der Gesetzgeber lässt den Betrieben eine gewisse Freiheit, er sagt ihnen, was sie zu tun haben, aber nicht wie sie es umsetzen müssen. Das sieht beispielsweise beim Handelsstandard IFS ganz anders aus. Hier sind die betriebsinternen Auditoren oder Food-Safety-Manager gefordert, denn sie müssen zum Teil wirklich herausfordernde Auflagen gegenüber der Geschäftsleitung vertreten.

Beginnen wir mit den Gesetzen. Welche sind hier grundlegend zu beachten?

Benner: Hierzu zählt die Basisverordnung EG Nr. 178/2002 über die europaweite Rückverfolgbarkeit von Lebens- und Futtermitteln, die Hygiene-Verordnungen 852 und 853 zu Sicherheitssystemen spezieller Lebensmittel und zum Aufbau eines Eigenkontrollsystems, das wiederum nach dem im Codex Alimentarius festgelegten HACCP-System erfolgen muss. Erst wenn ein Hersteller die gesetzlichen Vorgaben erfüllt, kann seine Produktion registriert bzw. zugelassen werden.

Das gilt für das hippe Startup genauso wie für, sagen wir, einen Jungwinzer?

Benner: Selbstverständlich ist ein Schoppen Wein ein Lebensmittel. Zuständig ist die staatliche Lebensmittelüberwachung, deren Exekutive in den Händen der Bundesländer liegt. Die Behörde am Unternehmenssitz ist für die risikobewährte Überwachung und Bewertung verantwortlich. Sie stuft Neugründungen analog einer Gefahrenanalyse nach Art der Produkte – frisch, gekühlt, thermisch haltbar gemacht – ein, nach der Produktionsmenge und nach dem Vertriebsradius hinsichtlich der Zuverlässigkeit, dem Aufbau des Qualitätsmanagementsystems und der Wirksamkeit der Vorbeugemaßnahmen.

Was davon stellt für die jungen Betriebe die größte Herausforderung dar?

Benner: Ich denke, es ist das Abgleiten in die Routine. Am Anfang ist alles neu, auch der Aufbau eines funktionierenden Qualitätsmanagementsystems, das auf Eigenkontrolle und Eigenverantwortung basiert. Es wird von den Lebensmittelbehörden bewertet und geprüft und mit der Zulassung nach Berlin gemeldet, von wo aus eine Meldung nach Brüssel geht, um die Rückverfolgbarkeit über die europaweite Registriernummer zu gewährleisten. Es genügt ja nicht, ein System zu installieren. Die Prozesse müssen auch laufend verifiziert und in bestimmten Abständen validiert werden.

Als Gegenprobensachverständiger sind Sie bestens vertraut mit der Lebensmittelüberwachung. Wie schätzen Sie die Kommunikation mit den Behörden ein?

Benner: Die Behörden erteilen natürlich die Auflagen, die sie anhand der risikobewährten Einstufung machen müssen, aber es ist nicht so, dass sie die Wirtschaftlichkeit oder Notwendigkeit der Betriebe nicht einschätzen könnten. Man findet dann durchaus angemessene Kompromisse, die dann aber auch vonseiten der Betriebe eingehalten werden müssen. Unsere Lebensmittelüberwachung wird schließlich selbst durch die EU-Kommission kontrolliert, auf unserem Territorium und in jährlichen Abständen.

Kommen wir zum normierten Bereich. Neben der deutschen DIN, der europäischen EN und den weltweit gültigen ISO-Normen stellt ja vor allem der IFS-Standard Betriebe vor ungeahnte Herausforderungen.

Benner: Wer in den Handel verkauft, für den ist das im Moment in der Tat das wichtigste System. Jedes Glied der Lebensmittelkette muss sich dem unterwerfen, schon jetzt warten wir nach dem IFS 6 auf die nächste Revision, die die Tiefenschärfe erneut erhöhen wird. Nehmen wir das Beispiel Food Defense: Es verlangt auch von deutschen Unternehmen Schutzmaßnahmen, die viele allenfalls aus einem amerikanischen Krimi kennen: Wer betriebsfremd ist, muss einen besonderen Kittel und einen roten Helm tragen, damit er weder unerkannt noch unbegleitet über das Betriebsgelände geht.

Wie beurteilen Sie solche Vorschriften?

Benner: Ich meine, es hat alles seine Berechtigung und man muss eben sehen, wie sich das umsetzen lässt. Food-Safety-Manager und Qualitätsbeauftragte müssen hier die Fähigkeit besitzen, gegenüber der Geschäftsführung zu vertreten: Das ist für unseren Betrieb und die Weiterentwicklung sowie die Aufrechterhaltung des QM-Systems wichtig. Es braucht schon Mut und Durchsetzungsvermögen, um seinen Chef darauf hinzuweisen, dass er nur mit Arbeitsmantel und Haarnetz durch die Produktion gehen soll. Ähnliches gilt für fortlaufende Schulungen – etwa zum Infektionsschutz. Schulungsmaßnahmen werden viel zu oft als Störung des Betriebsablaufs wahrgenommen anstatt als das, was sie wirklich sind: Grundlage für die Lebensmittelsicherheit, die Betriebserlaubnis und eine Verantwortung gegenüber der Bevölkerung.

Warum müssen Qualitätsmanager Multitalente sein?

Benner: Früher sagte man: GMP heißt große Menge Papier. Immer noch werden Qualitätsmanager als Datensammler und Paragrafenreiter verkannt, dabei üben sie eine Schlüsselfunktion im Unternehmen aus. Sie haben den Blick aufs große Ganze und auf die Details. Sie können den Moment beurteilen und denken voraus. Nicht zu vergessen: Qualitätsbeauftragte arbeiten an der Schnittstelle zur Lebensmittelüberwachung und den Zertifizierungsstellen. Sie können argumentieren und tragfähige Verbindungen aufbauen, die beim Eintritt in neue Märkte helfen – denkt man an künftig wichtiger werdende Zertifizierungen im veganen, koscheren oder Halal-Bereich. Sie sind das Fehlergedächtnis der Firma und ihr Rettungsanker, weil sie alle Prozesse im Griff haben.

www.prozesstechnik-online.de
Suchwort: dei1217kin


 10 Tipps 

So verbessern Sie ihr Qualitätsmanagement sofort

  • Redet miteinander! Kommunikation verhindert Missverständnisse und hilft, Probleme und Risiken frühzeitig zu identifizieren und abzustellen.
  • Werdet Anstifter! Jeder ist bewusst oder unbewusst Vorbild: Vom Chef bis zum Praktikanten halten sich alle an die Hygienevorschriften und tragen in der Produktion Schutzkleidung.
  • Kuriert euch aus! Infektionsschutzverordnung einhalten, Meldepflicht beachten.
  • Verfolgt Trends! Trendanalysen sind ein Muss.
  • Bleibt ruhig und wachsam – gerade wenn es schnell gehen muss!
  • Vertraut weniger, überprüft regelmäßig! Lieferantenbewertungen müssen aktuell sein.
  • Lernt Statistiken lesen und lieben! Statistische Prozesskontrollen sind die Grundlage für effektive Vorbeugemaßnahmen.
  • Digitalisiert! Das führt zu besserem Datenmanagement, höherer Lebensmittelsicherheit und mehr Zeit für Wesentliches.
  • Erweitert euer Wissen! Wissenslücken sind gefährlich – regelmäßige Fortbildungen sind keine Strafe, sondern Sicherheitsnetz und Kompetenzverstärker.
  • Hinterfragt Routinen! Alarmsignal: „Das haben wir schon immer so gemacht.“ Bequemlichkeit macht nachlässig und sollte abgestellt werden.

 Intensivkurs 

Food Safety Manager

Der praxisorientierte Intensivkurs „Food Safety Manager“ ist auf Mitarbeiter zugeschnitten, die sich auf eine neue oder erweiterte Führungsrolle im Bereich Qualitätsmanagement/Qualitätssicherung vorbereiten wollen. Vorausgesetzt werden ein Berufsabschluss und Erfahrungen im Lebensmittelsektor. In sechs Monaten lernen die Teilnehmer alles über lebensmittelrechtliche Pflichten, Haftungsfragen und Krisenmanagement und vertiefen ihr Wissen über das Hygienemanagement auf Basis von HACCP. Weil Krisen immer auch auf Kommunikationsfehlern basieren, wird neben Führungskompetenzen auch die betriebliche Kommunikation trainiert. Der Wissenstransfer wird anhand von Fallstudien geübt. Die Zertifikatsprüfung orientiert sich an der Sachverständigenprüfung nach DIN EN ISO 17024.

Kursbeginn: 16. März 2018

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