Startseite » Food »

Wasser bleibt das Lösemittel Nummer eins

Nachhaltige Industriewasserwirtschaft notwendig
Wasser bleibt das Lösemittel Nummer eins

Wasser ist Leben. Nicht nur für den Menschen. Auch für die Prozessindustrie ist Wasser von entscheidender Bedeutung, ist es doch der Lösemittelstandard – und das auch in Zukunft. Doch dieser wird immer knapper. Nicht überall wird der Rohstoff Wasser zukünftig ausreichend zur Verfügung stehen. Im Jahr 2030 muss vor allem eine integrierte, nachhaltige Industriewasserwirtschaft betrieben werden. Das zumindest sagt ein Positionspapier der ProcessNet-Fachgruppe „Produktionsintegrierte Wasser- und Abwassertechnik“.

Autor Dr. Bernd Rademacher Redakteur, cav chemie anlagen verfahren

Wasser ist für die Industrie sowohl auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene von zentraler Bedeutung. Dabei unterscheidet sich die Wassertechnik im industriellen und kommunalen Sektor grundsätzlich hinsichtlich der Anforderungen. Während kommunale Abwässer sich von Standort zu Standort nur wenig differenzieren, sind industrielle Abwässer stark branchen- und standortabhängig. Letztere erfordern daher individuelle Lösungen mit einer Kombination aus fachlichem Know-how und maßgeschneiderter Prozesstechnik.
Durch die enge Verzahnung der Produktion mit der Wassertechnik bietet sich in den Branchen Chemie, Pharma und Food das Konzept der integrierten, nachhaltigen Industriewasserwirtschaft an. Sie führt zu einer verringerten Abhängigkeit von natürlichen Wasserressourcen und weiteren Einflussfaktoren wie Energie oder rechtlichen Rahmenbedingungen.
Industriell genutztes Wasser
Die industriell genutzte Wassermenge betrug 2010 in Deutschland etwa 27,2 Mrd. m3. Das entspricht rund 56 % der Wassermenge des Bodensees. Damit war der Verbrauch der Industrie rund sechsmal so hoch wie der häusliche und gewerbliche Bedarf. Rund 25,2 Mrd. m3 des verwendeten Frischwassers wurden in der Industrie als Kühlwasser eingesetzt, das wieder direkt in der geforderten Qualität in die Gewässer eingeleitet werden kann.
Lediglich 1,1 Mrd. m3 (4 % des industriellen Abwassers) wurden den kommunalen Kläranlagen zugeführt. Die chemische Industrie rangiert auf Platz eins der wasserverbrauchenden Branchen, noch vor dem Papiergewerbe und der Lebensmittelindustrie. Schon heute laufen Bestrebungen, den industriellen Wasserverbrauch zu reduzieren. Die beste Methode ist nach wie vor, die Prozesse bezüglich Wasser- und Energieverbrauch so zu optimieren, dass möglichst wenig Abwasser anfällt. Denn: Was nicht anfällt, muss auch nicht entsorgt werden.
Ein anderer vielversprechender Ansatz, der derzeit zu beobachten ist, ist das Prozesswasserrecycling. Hierbei werden die Abwasserströme im Kreislauf geführt und enthaltene Wertstoffe aus dem Abwasserstrom abgeschieden. Das so aufbereitete Abwasser kann nach weiteren Reinigungsschritten wieder als Prozess- oder Gebrauchswasser eingesetzt werden. Dies senkt den Frischwasserbedarf und reduziert die Prozess(-ab-)wasserkosten.
Erste Schritte
Erste Schritte in Richtung integrierte nachhaltige Entsorgung machen vor allem die großen Standortdienstleister. So hat sich Currenta letztes Jahr auf der Ifat als Dienstleister präsentiert, der sich in die Herstell- und Entsorgungsprozesse seiner Kunden einklinkt, um deren Abfallmengen zu verringern und die Produktionsprozesse nachhaltiger zu gestalten. Als traditioneller Betreiber von End-of-pipe-Umweltanlagen wie Klärwerken oder Sonderabfallverbrennungsanlagen beschreitet die Currenta damit Neuland. Während bislang die Optimierung der Entsorgungsprozesse im Vordergrund stand, ist nun der Fokus auf die Optimierung der gesamten Prozesskette gerichtet – von der Herstellung über Lagerung und Transport bis hin zur Entsorgung. Durch diese ganzheitliche Betrachtung lassen sich mehr Potenziale heben als nur beim Blick auf einzelne Prozessschritte. „Auf den ersten Blick scheint es so, als ob wir uns das eigene Wasser abgraben, wenn wir als Entsorger den Kunden zeigen, wie sie weniger Abfall erzeugen können“, erklärt Hans Gennen, Leiter des Currenta-Geschäftsfeldes Umwelt. „Indem wir aber dazu beitragen, die Prozesse in den Chempark-Betrieben weiter zu optimieren, zum Beispiel durch einen optimierten Verbund oder mehr Recycling, sorgen wir für mehr Wertschöpfung“, unterstreicht Gennen. Von mehr Materialeffizienz, weniger Abfall und geringeren Herstellkosten profitiere der gesamte Chempark. Dies stärke die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes mehr als lediglich voll ausgelastete Entsorgungsanlagen. Mit Blick nach vorne erklärt der Currenta-Umwelt-Chef: „Wir sehen unsere Zukunft zwar weiterhin als verlässlicher Entsorger anspruchsvoller Stoffströme, aber auch immer stärker als Partner bei der Entwicklung ressourceneffizienter Prozesslösungen zum Vorteil aller Beteiligten.“
In naher Zukunft
Diesen Ansatz gilt es in naher Zukunft zu vertiefen und auf eine breitere Basis zu stellen. So wird neben einer weiteren Kostenreduzierung bei der industriellen Wassernutzung in Deutschland in den nächsten fünf bis zehn Jahren im Wesentlichen die Erfüllung der Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und der in Überarbeitung befindlichen Abwasserverordnungen im Vordergrund stehen. Mit den geplanten Änderungen wird erstmalig der Integrationsansatz durch eine Umweltkompartiment-übergreifende Betrachtung der Energieeffizienz und Ressourcenschonung umgesetzt. Dieses Prinzip wird auch in die Prozessabwasserbehandlung übertragen werden.
Beim Abwasserrecycling entsteht ein Großteil der Kosten durch die dafür notwendige Infrastruktur, deren Anpassung in existierenden Betrieben meist sehr aufwendig ist. Daher und aufgrund der sich noch in der Entwicklung befindlichen Wasser-, Wärme- und Wertstoffrückgewinnung wird das produktionsintegrierte Abwasserrecycling erst in den kommenden Jahren flächendeckend umgesetzt. Die Bewertung von Maßnahmen zur Wassereinsparung, zur Prozessabwasserbehandlung und zum Wasserrecycling wird zunehmend über das Lifecycle Assessment (LCA) und die Lifecycle Costs (LCC) erfolgen.
Vision 2030
Wie eine integrierte, nachhaltige Industriewasserwirtschaft im Jahre 2030 aussehen könnte und welche technischen Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssen, damit hat sich die ProcessNet-Fachgruppe „Produktionsintegrierte Wasser- und Abwassertechnik“ beschäftigt. Sie befasst sich mit dem Stand der Wissenschaft und Technik sowie neuen Perspektiven auf dem Gebiet der produktionsintegrierten (Ab-)Wasserbehandlung. Ziel der Gruppe ist es, die industrielle Wassernutzung unter Berücksichtigung soziologischer Effekte in den gesamten Wasserhaushalt zu integrieren und ihre ökologische und ökonomische Effizienz konsequent zu verbessern.
Die Experten der Fachgruppe haben vier Megatrends herausgearbeitet, die bis ins Jahr 2030 Einfluss auf die Wasser- und Abwassertechnik nehmen werden: das Konsum- und Bevölkerungswachstum, die Ressourcenverknappung, der Klimawandel und die zunehmende Bedeutung des Umweltschutzes. Angesichts dieser Trends ergeben sich einige Randbedingungen, die auch 2030 für Deutschland relevant sein werden. So wird Wasser das mit Abstand wichtigste Lösemittel bleiben. Während weltweit der Wasserbedarf weiter ansteigen wird, sinkt er in Deutschland bei gleichbleibender industrieller Wertschöpfung. Der Einsatz von verschiedenen Technologien wird 2030 ganzheitlich bewertet. Die Folge daraus: Das Wassermanagement wird bereits bei der Entwicklung neuer Industrien, Verfahren und Prozesse berücksichtigt; entsprechende bedienungsfreundliche Softwaresysteme stehen zur Verfügung. Die eingesetzten Systeme besitzen Schnittstellen zu Managementsystemen anderer Betriebe, von Kommunen sowie für den gesamten lokalen Wasserhaushalt im Einzugsgebiet (Smart Networks). Durch diese Vernetzung kann die Prozess- und Kühlwasserversorgung sowie die Prozessabwasserbehandlung/-rückführung bedarfs- und angebotsabhängig systemisch reguliert werden.
Die zusätzlichen Anforderungen an die Wasserreinigung sind mit einem erhöhten Einsatz von Energie gekoppelt. Da die Energiepreise weiter steigen werden und der Carbon-Footprint ein wichtiges Bewertungsinstrument für die Nachhaltigkeit ist, gilt es primär Verschmutzungen zu vermeiden und sekundär den Energiebedarf der Wasseraufbereitungs- und -transportprozesse zu reduzieren sowie die in den Prozessabwässern enthaltene chemische und thermische Energie zu nutzen.
Die Wasserqualität selbst ist auch heute schon, wenn auch teilweise unter hohem Energieverbrauch und/oder hohen Kosten, beliebig einstellbar. Daraus resultiert ein Bedarf an geeigneten Werkzeugen, um objektiv zwischen den verschiedenen Möglichkeiten abwägen zu können. Welche Menge an zusätzlichem CO2 ist für die Entfernung einer bestimmten Menge organisch gebundenen Kohlenstoffs oder NaCl aus einem Gewässer akzeptabel oder gerechtfertigt? Wie ist eine Verbrennung anstelle einer chemischen, physikalischen oder biologischen Behandlung im oder außerhalb eines Produktionsprozesses zur Entsorgung von Wasserinhaltsstoffen energetisch zu bewerten?
Hierzu bedarf es geeigneter Kennzahlen wie „Water-Footprint“ und „virtuelles Wasser“. Sie müssen analog zum Carbon-Footprint als Qualitätskriterien der industriellen Herstellung etabliert werden. Für die Einordnung sollten nicht nur die absoluten Zahlen Verwendung finden, sondern die regionale Verfügbarkeit des genutzten Wassers sollte ebenfalls einfließen (z. B. Water Stress Index). Dazu ist eine Weiterentwicklung der Fußabdrücke und Indizes erforderlich.
Fazit
Wasser ist und bleibt in der industriellen Produktion ein unverzichtbares Medium. Der integrierte und nachhaltige Umgang mit der Ressource Wasser wird zukünftig immer wichtiger werden. Durch den Einsatz geeigneter Technologien können Unternehmen Kostenvorteile auf der Abwasserseite erzielen und so profitabler produzieren. Kurzfristig lassen sich Einsparungen von Wasser, Energie, Betriebsmitteln und damit einhergehend auch von Prozess- und Umweltkosten umsetzen. Damit verbunden sind Verbesserungen der Prozess- und Produktqualität, die Einführung von Maßnahmen zum Arbeitsschutz, zur Prozesssicherheit, zum Vollzug neuer gesetzlicher Vorschriften oder zur Umsetzung von Kundenanforderungen und die Vergabe von Umweltlabels. Mittelfristig ist eine Umsetzung von betrieblich integrierten Umweltschutzmaßnahmen bei der Neu- oder Ersatzinvestition von Maschinen und Anlagen möglich. In einem langfristig angelegten zeitlichen Rahmen werden integrierte Maßnahmen schon in der Planungsphase neuer Produkte oder Prozesse berücksichtigt.
prozesstechnik-online.de/cav0315401

Wann lohnt sich Wasserrecycling?

Überblick

Wasserrecycling lohnt sich meist dann, wenn nur schwach verunreinigte Ströme kostengünstig durch aufwandsarme Reinigungsmaßnahmen wieder aufbereitet werden können. Bei Strömen, die einerseits eine hohe Konzentrationen an Verunreinigungen aufweisen und/oder andererseits Stoffe mit unterschiedlichen chemischen und physikalischen Eigenschaften enthalten, erweist sich Wasserrecycling meist als weniger effizient. Daher ist die Grundvoraussetzung für ein Wasserrecycling in der Regel die Etablierung eines effizienten Wassermanagements, um unterschiedlich gut recyclingfähige Abwässer voneinander zu trennen. Wasserrecycling ist dann mit Synergieeffekten verbunden, wenn
  • gleichzeitig Energie eingespart wird,
  • eine ökologisch, ökonomisch und technisch sinnvolle Lösung für die aus dem recycelten Wasser ausgeschleusten Stoffe gefunden wird (ressourcenschonender Umgang mit nützlichen und wertvollen Inhaltsstoffen),
  • Rationalisierungseffekte eintreten und/oder
  • durch die Reduktion der Abwassermenge und -fracht die nachgeschaltete Abwasserreinigung entlastet und eine Gewässerbelastung vermieden oder verringert wird.
  • Unsere Webinar-Empfehlung
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

cav-Produktreport

Für Sie zusammengestellt

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Top-Thema: Instandhaltung 4.0

Lösungen für Chemie, Pharma und Food

Pharma-Lexikon

Online Lexikon für Pharma-Technologie

phpro-Expertenmeinung

Pharma-Experten geben Auskunft

Prozesstechnik-Kalender

Alle Termine auf einen Blick


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de