Die rasante Talfahrt der deutschen Chemieindustrie hat sich im ersten Quartal des Jahres abgeschwächt. Eine kraftvolle Erholung ist dennoch nicht in Sicht. So das Resümeé des Verbands der chemischen Industrie (VCI) zum 1. Quartal 2023.
Die Produktion in Deutschlands drittgrößter Industriebranche, der chemischen Industrie, lag im 1. Quartal 2023 weiter unter den Vergleichswerten. Auch die Umsätze waren in nahezu allen Sparten rückläufig zum Vorjahresquartal. Die weiterhin hohen Produktionskosten belasteten die Geschäfte. Der Blick nach vorne bleibt daher sorgenvoll. Strom und Gas sind immer noch deutlich teurer als vor der Krise und im internationalen Vergleich nicht wettbewerbsfähig. Die Lieferengpässe in der Industrie lösen sich zwar langsam auf, sodass die vollen Auftragsbücher abgearbeitet werden können. Aber das Neugeschäft ist verhalten und die Nachfrage nach chemischen Erzeugnissen bleibt weiterhin schwach.
Schwache Weltwirtschaft
Mit verantwortlich für die schwachen Zalen sei nach Angaben von Christiane Kellermann vom VCI auch die Weltwirtschaft, die ohne Schwung ins neue Jahr gestartet ist. Hohe Inflationsraten schwächten zudem weiterhin die Kaufkraft der Konsumenten. Die steigenden Zinsen und die hohen Unsicherheiten bremsten Investitionen. Zwar zeichne sich Entspannung in der Lieferkettenproblematik und bei den Energiepreisen ab, eine schnelle Erholung der chemiekonjunktur sei aber nicht zu erwarten. „Wir sind in der Chemieindustrie immer noch auf einem Kostenniveau für Energie, das etwa doppelt so hoch liegt wie vor der Krise“, so Kellermann beim VCI-Wirtschaftsbriefing. „Aber wir gehen davon aus, dass wir bei der Chemieproduktion die Talsohle erreicht haben, im ersten Quartal 2023 gab es eine leicht positive Entwicklung.“
VCI-Präsident Markus Steilemann sagt zur konjunkturellen Lage der Branche: „Zunehmend wird das ganze Ausmaß der Energiekrise sichtbar.“ Die Chemie- und Pharmaproduktion lag zu Jahresbeginn fast 15 % niedriger als vor einem Jahr. In der Grundstoffchemie betrug der Rückgang sogar nahezu 25 %. Nicht alle Anlagen, die im Zuge der Energiekrise abgestellt wurden, werden wieder ans Netz gehen. Einige Unternehmen haben bereits dauerhafte Produktionsstillegungen und die Verlagerung von Investitionen ins Ausland angekündigt.
„Deutschland ist als Industriestandort international immer weniger wettbewerbsfähig. Die Gefahr ist groß, dass in der energieintensiven Chemie Investitionen und Arbeitsplätze immer stärker ins Ausland abwandern. Positiv ist, dass inzwischen auch die Politik den Ernst der Lage erkannt hat. Jetzt müssen aber auch Taten folgen. Und zwar schnell, unbürokratisch und gezielt, etwa durch einen Industriestrompreis als Brücke in die Zukunft und zur Sicherung des Industriestandortes Deutschland“, so Steilemann.
Die Quartalszahlen für das 1. quartal 2023 im Überblick
- Produktion: Die Produktion verfehlte aufgrund einer insgesamt schwachen Nachfrage das Vorquartal erneut (-0,9 %). Mit 78,6 % blieben die Anlagen weiterhin unter Normalauslastung.
- Erzeugerpreise: Die Erzeugerpreise lagen zwar mit einem Plus von 0,5 % wieder leicht über dem Vorquartal. Der starke Preisauftrieb des Vorjahres nahm aber ab. Im Vergleich zum ersten Quartal 2022 waren Chemie- und Pharmaerzeugnisse nur noch um 10,8 % teurer.
- Umsatz: Die schwache Nachfrage der industriellen Kunden ließ die Umsätze weiter sinken. Mit 58,5 Mrd. Euro lag der Branchenumsatz um 6,7 % niedriger als drei Monate zuvor und erstmals seit zwei Jahren auch wieder unter dem Vorjahresniveau.
- Beschäftigung: Die Zahl der Arbeitsplätze ist im ersten Quartal 2023 stabil geblieben. Die Chemie- und Pharmaunternehmen beschäftigen derzeit rund 477 000 Menschen.
Ausblick für das laufende Jahr
Die rasante Talfahrt im deutschen Chemiegeschäft setzte sich zu Jahresbeginn 2023 nicht fort. Die Produktion verfehlte ihr Vorquartal zwar erneut, einige Sparten konnten die Produktion angesichts der abflauenden Gas-Krise aber bereits wieder ausweiten. Die Talsohle im Chemiegeschäft scheint erreicht zu sein. Der Blick in die Zukunft hat sich etwas aufgehellt. Seit Februar sind die Geschäftserwartungen der Branche wieder leicht positiv. Nachdem eine akute Gasmangellage und ein Blackout der Stromversorgung im Winter verhindert werden konnten.
Der VCI geht angesichts der anhaltend schwierigen Lage für die Branche für das Gesamtjahr 2023 weiterhin von einem Produktionsrückgang von 5 % aus. Für die Chemieproduktion (ohne Pharma) rechnet der Verband mit einem Minus von 8 %.
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