Startseite » News (Chemie) »

Bilanz der chemisch-pharmazeutischen Industrie für 2022

Bilanz der chemisch-pharmazeutischen Industrie für 2022
Dunkles Jahr mit trüben Aussichten

Auf der Jahrespressekonferenz des VCI hat Präsident Markus Steilemann die aktuelle wirtschaftliche Situation der chemisch-pharmazeutischen Industrie beleuchtet. Darüber hinaus bewertete er die Hilfsprogramme der Bundesregierung und aktuelle Forderungen der EU.

Die chemisch-pharmazeutische Industrie blickt auf ein Jahr zurück, das – geprägt vom russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und der daraus resultierenden Energiekrise – besonders schwierig war. Auch die Aussichten für 2023 bleiben düster.

Mittelständler kämpfen um ihre Zukunft

„Die Lage ist dramatisch“, betont Präsident Markus Steilemann bei der Jahrespressekonferenz des Verbandes der Chemischen Industrie in Frankfurt/M. „Die enormen Energiepreise, aber auch die Preissteigerungen bei Rohstoffen und Vorprodukten machen der industriellen Basis unseres Landes schwer zu schaffen. Dazu kommt, dass unsere Unternehmen durch die stark vom Gaskommissionsvorschlag abweichende Umsetzung der Strom- und Gaspreisbremse voraussichtlich kaum oder nicht entlastet werden. Vor allem unsere Mittelständler kämpfen um ihre Zukunft.“

Jedes vierte Unternehmen macht Verluste

Der enorme Energie- und Rohstoffkostendruck führte zwar zu einem kräftigen Anstieg der Produktpreise. Infolge waren chemische Erzeugnisse im Gesamtjahr 22 % teurer als im Vorjahr. Aber die Kosten stiegen stärker als die Verkaufspreise, sodass laut einer aktuellen Mitgliederbefragung des VCI mittlerweile bei rund 80  % der Unternehmen die Gewinne zurückgehen. Jedes vierte Unternehmen macht bereits Verluste. Insbesondere der Mittelstand ist betroffen.

Preisgetriebenes Umsatzplus

Zwei Drittel der Mitgliedsunternehmen machte im November der Auftragsmangel zu schaffen. Über 25 % der Unternehmen sahen ihre Geschäftstätigkeit dadurch sogar stark beeinträchtigt. Seit einigen Monaten sinkt der Branchenumsatz. Dennoch lag der Umsatz in Deutschlands drittgrößter Branche im Gesamtjahr mit 266,5 Mrd. Euro noch rund 17,5 % höher als 2021. Das Umsatzplus war jedoch allein preisgetrieben. Die Verkaufsmengen waren hingegen rückläufig.

Produktion gedrosselt

Um größere Verluste zu vermeiden und um Energie – insbesondere Gas – einzusparen, haben viele Unternehmen ihre Produktion gedrosselt. 40 % der Unternehmen geben an, die Produktion bereits zurückgefahren zu haben oder dies in Kürze tun zu wollen. Ein Teil davon wurde an ausländische Standorte verlagert. Bei fast jedem vierten Unternehmen ist die Verlagerung konkret geplant oder bereits umgesetzt. Jedes fünfte Unternehmen musste wegen der Energiekrise zudem Aufträge ablehnen.

Lieferschwierigkeiten bei Grundstoffen

„Weil die Chemie mit angezogener Handbremse produzieren muss, werden einzelne Grundstoffe bereits knapp“, stellt Steilemann fest. Rund 50 % der Mitgliedsunternehmen berichteten im November von Lieferschwierigkeiten. Es fehlt unter anderem an Pigmenten, Carbon- und Glasfasern, Salz- und Schwefelsäure, Natronlauge, technischem CO2, organischen Silikonverbindungen oder Eisenchlorid. Aber auch einige APIs für die Pharmaproduktion sind vom Mangel betroffen. Die Liste wird stetig länger, erste Wertschöpfungsketten reißen.

Chemieproduktion bricht ein

„Chemie steckt in fast allen Gegenständen des täglichen Bedarfs. Eine wirtschaftliche Schieflage der Branche würde zu Versorgungsengpässen in allen Lebensbereichen führen“, so Steilemann weiter.

Die Produktion sank im Vergleich zum Vorjahr um 6 %. Rechnet man das Pharmageschäft heraus, lag der Rückgang sogar bei rund 10 %. Einen ähnlich starken Einbruch bei der Produktion gab es zuletzt 2009 als Folge der Weltwirtschaftskrise.

Erzeugerpreise geraten unter Druck

Erzeugerpreise geraten trotz steigender Kosten immer mehr unter Druck. Die Aufträge sind rückläufig und Verkaufserlöse sinken. Besonders schwer getroffen hat es das Geschäftsfeld Petrochemikalien. Es verzeichnet im Gesamtjahr einen Produktionsrückgang von 15,5 %. Die Hersteller von anorganischen Grundstoffen, Polymeren und Spezialchemikalien mussten ihre Produktion um knapp 10 %. Bei den konsumnahen Seifen, Wasch- und Reinigungsmitteln sowie bei Kosmetika lag das Minus bei 1,5 %. Allein die Pharmasparte konnte auch in diesem Jahr zulegen. Ihre Produktion stieg um 3 % . Die Zahl der Beschäftigten in der Chemie- und Pharmabranche verbleibt im Gesamtjahr mit 475 500 auf stabilem Niveau.

Keine Besserung der Lage in 2023

Auch für das kommende Jahr erwartet der VCI aktuell keine Besserung der Lage, denn die Unsicherheit ist nach wie vor hoch. Die Energiekrise zwingt die deutsche und die europäische Wirtschaft in die Rezession. „Die Ertragslage der gesamten Branche hat sich im Jahresverlauf rapide verschlechtert. Und die Vorzeichen für das kommende Jahr stehen denkbar schlecht. Der Rückgang der Industrieproduktion in Deutschland wird sich weiter beschleunigen, der Importdruck weiter zunehmen“, erklärt Steilemann.

Branche steht vor großen Herausforderungen

Die Herausforderungen der Branche sind daher auch im kommenden Jahr enorm: Auftragsmangel, gestörte Lieferketten und hohe Energiekosten. Nach derzeitigem Stand rechnet der VCI für 2023 mit einem weiteren kräftigen Produktionsrückgang in der chemisch-pharmazeutischen Industrie. Auch der Umsatz wird sich aller Voraussicht nach negativ entwickeln. Im Inlandsgeschäft erwartet der Verband wegen der Industrierezession einen kräftigen Rückgang. Aufgrund der äußerst volatilen Lage wird über diese Einschätzung hinaus keine quantitative Prognose abgegeben.

Strom- und Gaspreisbremse muss nachgebessert werden

Der VCI erkennt an, dass die Politik den dringenden Handlungsbedarf sieht. Das Hilfsprogramm der Bundesregierung sorgt allerdings nicht für die angekündigte Entlastung. Grund dafür sind die vielen Einschränkungen, die das europäische Beihilferecht vorsieht, sowie darüber hinausgehende Verschärfungen im parlamentarischen

Verfahren.

Vier Problemfelder

Der VCI sieht im Wesentlichen vier Problemfelder:

  • die festgelegten Förderobergrenzen vor allem für Großverbraucher sind viel zu niedrig
  • Unternehmen sind gezwungen, Rücklagen zu bilden, sofern das EBITDA nicht um mindestens 40 % sinkt
  • die verschärften Regelungen zu Boni- und Dividendenauszahlungen
  • Unternehmen müssen bis April 2025 eine Beschäftigtenzahl von 90 % des heutigen Niveaus garantieren.

Bundesregierung muss in Brüssel nachverhandeln

„Die Bundesregierung hat es versäumt, auf EU-Ebene für das Gelingen der Energiepreisbremsen zu sorgen. Die Hürden für unsere Unternehmen, die Hilfen in Anspruch zu nehmen, sind brutal. Umso wichtiger ist es jetzt, in Brüssel nachzuverhandeln“, betont Steilemann.

Die Regulierungswut der EU bereitet ohnehin Sorgen. Im kommenden Jahr plant die Kommission, 51 neue Gesetze auf den Weg zu bringen, 116 Vorschläge aus den Vorjahren sind noch anhängig.

Regulierungs- und Bürokratietornado

„Die ohnehin schon angeschlagenen Unternehmen erwartet damit ein regelrechter Regulierungs- und Bürokratietornado.“ Anstatt Anreize für Innovation und Investition zu setzen, schnelle Planungs- und Genehmigungsverfahren auf den Weg zu bringen und den massiven Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben, werde gesetzgeberisches Mikromanagement betrieben. Dabei steht nicht nur die Krisenabwehr auf dem Spiel. Die Chemiebranche leistet auch für die Transformation hin zur Klimaneutralität einen entscheidenden Beitrag.

Ohne chemische Industrie kein Wohlstand

„Ohne eine starke und international wettbewerbsfähige Chemieindustrie wird es keine zukunftssichere und nachhaltige Wirtschaft geben. Sie ist unersetzlich für den Wohlstand unseres Landes“, resümiert Steilemann.

Verband der Chemischen Industrie e. V. (VCI), Frankfurt/M.

Unsere Whitepaper-Empfehlung
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

cav-Produktreport

Für Sie zusammengestellt

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Top-Thema: Instandhaltung 4.0

Lösungen für Chemie, Pharma und Food

Pharma-Lexikon

Online Lexikon für Pharma-Technologie

phpro-Expertenmeinung

Pharma-Experten geben Auskunft

Prozesstechnik-Kalender

Alle Termine auf einen Blick


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de