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VCI fordert Offensive 2030 für den Standoert Deutschland

Chemisch-pharmazeutischen Industrie korrigiert Jahresprognose nach unten
VCI fordert Offensive 2030 für den Standort Deutschland

Die Enttäuschung war Markus Steilemann, Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie, ins Gesicht geschrieben, als er in Frankfurt der Presse die Halbjahreszahlen der chemisch-pharmazeutischen Industrie präsentierte. „Die Halbjahresbilanz fällt leider gar nicht gut aus. Anders als im Frühjahr erhofft, ist die Talsohle noch nicht durchschritten, die Nachfrage nach Chemikalien nimmt ab und die Zahlen für das erste Halbjahr sind sind rot.“ Der VCI korrigiert seine Jahresprognose deshalb nach unten und fordert eine „Offensive 2030“, die den Industriestandort fit machen soll.

Trotz der deutlich gesunkenen Gas- und Strompreise lag die Produktion in der chemisch-pharmazeutischen Industrie in den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 10,5 % niedriger als ein Jahr zuvor. Rechnet man das Pharmageschäft heraus, betrug der Produktionsrückgang sogar 16,5 %. Mit durchschnittlich 77 %waren die Kapazitäten nicht ausgelastet. Die Pharmaproduktion blieb im Vorjahresvergleich zwar stabil, aber auch hier zeigen sich bereits deutliche Bremsspuren.

Am Schlimmsten traf es die Produktion anorganischer Grundstoffe. Die Produktion lag hier rund 26 % niedriger als ein Jahr zuvor. Aber auch Petrochemikalien (-21 %) und Polymere (-19 %) lafenim zweistelligen Minusbereich. Während die Produktion konsumnaher Chemikalien sowie von Hygiene und Oberflächenschutzmitteln kräftig gedrosselt wurde (-12 %), fiel der Rückgang in der Produktion von Fein- und Spezialchemikalien mit –6 % vergleichsweise niedrig aus.

Aufträge brechen ein

Die Auftragseingänge in der chemisch-pharmazeutischen Industrie gingen seit über einem Jahr nahezu kontinuierlich zurück, die Auftragspolster schmolzen dahin und der Branchenumsatz sank im In- und Ausland kräftig. Mit 114 Mrd. Euro verfehlten die Erlöse der chemisch-pharmazeutischen Industrie im ersten Halbjahr das Vorjahresniveau um 11,5 %. Der Inlandsumsatz sank um 15,5 %. Das Auslandsgeschäft ging mit –8,5 % ebenfalls kräftig zurück. „Die Hoffnung dass der Export chemischer Produkte für die 2. Jahreshälfte anzieht, hat sich zerschlagen. Wir müssen unsere Prognose für 2023 daher nach unten korrigieren“, so Steilemann.

Angesichts der schwachen Industriekonjunktur geht der VCI für das Gesamtjahr 2023 nun von einem Rückgang der Produktion von 8 % aus. Rechnet man das Pharmageschäft heraus, dürfte die Chemieproduktion um 11 % sinken. Bei insgesamt rückläufigen Preisen dürfte der Branchenumsatz insgesamt um 14 % zurückgehen. Das Exportgeschäft (-12 %) läuft dabei kaum besser als der inländische Absatz (-17 %). 

Ergebnisse der Mitgliederbefragung

Laut einer Mitgliederbefragung melden fast zwei Drittel der Unternehmen Gewinnrückgänge bis hin zu Verlusten. Zu der schlechten Ertragslage hat der hohe Preisdruck beigetragen. Denn trotz anhaltend hoher Produktionskosten kamen die Chemikalienpreise unter Druck. Insgesamt lagen sie im ersten Halbjahr aber immer noch 5 % höher als ein Jahr zuvor.

Strukturelle Defizite am Standort Deutschland

Die Herausforderungen für die Unternehmen sind groß. Dabei ist die konjunkturelle Flaute nicht das größte Problem. Sorgen bereiten Steilemann auch die strukturellen Defizite des Standorts Deutschland. „Der Glaube an den Standort Deutschland schwindet. Die Kombination aus hohen Energiepreisen und Unternehmenssteuern, schlechter Infrastruktur, Fachkräftemangel, Digitalisierungsstau und Bürokratie wirkt sich nagativ auf die Wettbewerbfähigkeit Deutschlands aus“, so Steilemann. Das führe auch dazu, dass die nächsten größeren Investititionen dann nicht mehr in Deutschland getätigt werden, sondern beispielweise in Asien oder den USA.

Auch laut VCI-Befragung bewerten 80 %der Unternehmen den Bürokratie- und Regulierungsaufwand als erheblichen Standortnachteil. Nie zuvor war dieser Wert so hoch. Bei vielen anderen Standortfaktoren, wie beispielsweise auch bei den Genehmigungsverfahren, sieht es ebenfalls düster aus. Das macht sich insbesondere beim Ausbau erneuerbarer Energien bemerkbar. Letztendlich gefährdet die aktuelle Situation sowohl die Transformation zur Klimaneutralität als auch die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Der Erhalt einer starken Chemiebranche in Deutschland ist aber notwendig, damit der Strukturwandel überhaupt gelingt. High-Tech-Chemikalien aus Deutschland sind die Enabling-Technologien beispielweise für Batterietechnik, aber auch für Chips und Halbleiter und für die Energie- und Mobilitätswende. 

Zu hohe Energiekosten

Insbesondere die Energiekosten bewerten fast 90 %der Unternehmen bei der Mitgliederbefragung im internationalen Vergleich als schlecht beziehungsweise sehr schlecht. Kein Wunder: Die Chemieindustrie ist auf wettbewerbsfähige Strompreise angewiesen. Auch wenn die Stromkosten gesunken sind, liegen sie immer noch über dem Vorkrisenniveau und waren auch damals schon ein entscheidender Standortnachteil. „Deshalb kämpfen wir für einen Industriestrompreis als Brücke in die Zukunft, bis wir genügend Energie aus erneuerbaren Quellen haben. Denn nur so können wir im internationalen Wettbewerb bestehen“, so Steilemann. Mit der geplanten Abschaffung des sogenannten Spitzenausgleichs kommen für die energieintensiven Industrieunternehmen weitere Probleme hinzu: etwa 1,5 Mrd. Euro pro Jahr mehr bei der Stromsteuer – eine zusätzliche Last für die ohnehin schon angeschlagene Industrie.

Offensive 2030 soll Standort Deutschland ertüchtigen

Die konjunkturellen und strukturellen Defizite des Standorts Deutschland sind nicht länger von der Hand zu weisen. „Deshalb muss die Koalition jetzt schnellstmöglich handeln, damit Deutschland nicht zum Abstiegskandidaten wird“, so Steilemann. Er fordert eine „Offensive 2030“, die den Industriestandort fit machen soll. Aus Sicht des VCI muss eine Reform dafür sorgen, dass:

  • Deutschland über eine sichere Energie- und Rohstoffversorgung sowie wettbewerbsfähige Preise für Strom und Gas verfügt
  • der Bürokratiewahnsinn ein Ende findet, um das notwendige Tempo bei Genehmigungsverfahren zu ermöglichen.
  • eine nationale und europäische De-Regulierung erfolgt, die Freiraum schafft, um unternehmerische Lösungen für die anstehenden Herausforderungen zu finden.
  • der Standort Deutschland für in- und ausländische Arbeitskräfte und Investoren sowie für heimische Produktion und Importe attraktiv ist
  • Deutschland wieder stärker die Europa-Karte spielt: Nur ein wirtschaftlich starkes Europa findet auch international politisches Gehör.
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