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Iffa nimmt ab 2025 kultiviertes Fleisch in den Fokus

Alternativen zu Fleisch aus der Tierhaltung als neuer Wachstumsmarkt
Iffa nimmt ab 2025 kultiviertes Fleisch in den Fokus

Iffa nimmt ab 2025 kultiviertes Fleisch in den Fokus
Ivo Rzegotta ist Senior Policy Manager Deutschland beim Good Food Institut Europe. Er wünscht sich von der Politik mehr Engagement für die Ernährungswende. Bild: gfi
Der Markt für kultiviertes Fleisch in Deutschland und Europa gilt als vielversprechend. Als weltweit führende Fachmesse für Technologien im Bereich Fleisch und alternative Proteine wird die Iffa ab 2025 dieses Zukunftsthema in den Fokus nehmen. Antje Schwickart, Referentin Media Relations bei der Messe Frankfurt, sprach mit Ivo Rzegotta vom Good Food Institute Europe über den Stand der Dinge bei Alternativen zu Fleisch aus der Tierhaltung.

Herr Rzegotta, der Markt für alternative Proteine wächst. Das Spektrum der alternativen Proteinprodukte reicht von komplett pflanzenbasiertem Fleischersatz über hybride Produkte bis zu kultiviertem Fleisch. Können Sie uns einen Überblick geben, wie sich diese einzelnen Segmente momentan in Deutschland entwickeln?

Rzegotta: Weltweit stellen mindestens 1150 Unternehmen pflanzliche Alternativen zu tierischen Produkten her, darunter sowohl innovative Start-ups als auch etablierte Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft. Mindestens 70 davon haben ihren Sitz in Deutschland, und hinzu kommen noch zahlreiche Unternehmen, die als B2B-Unternehmen die Entwicklung in dem Bereich voranbringen.

Innerhalb Europas ist Deutschland der mit Abstand größte Markt für pflanzliche Alternativprodukte. Gemessen am Umsatz ist der deutsche Gesamtmarkt für pflanzenbasierte Lebensmittel 2022 um 11 % auf 1,9 Mrd. Euro gewachsen, seit 2020 sogar um insgesamt 42 %.

Wie wird sich der Markt für alternative Proteine in Zukunft entwickeln?

Rzegotta: Wir rechnen weiter mit dynamischem Wachstum, denn die Qualität der Produkte steigt und wir sehen viel Innovation in Kategorien, die bislang Aufholbedarf hatten – etwa bei pflanzlichen Fischprodukten oder strukturierten Produkten wie pflanzlichem Steak.

Wie sieht es bei kultiviertem Fleisch in Deutschland aus?

Rzegotta: Gegenwärtig besteht der Markt für alternative Proteine fast ausschließlich aus pflanzenbasierten Produkten. Die Markteinführung von kultiviertem Fleisch und fermentationsbasierten Produkten wird in Deutschland noch etwas Zeit brauchen und hybride Produkte aus tierischem und pflanzlichem Protein sind bislang nur ein Nischenprodukt. Doch repräsentative Bevölkerungsumfragen zeigen, dass die Offenheit von Verbrauchern gegenüber kultivierten und fermentationsbasierten Produkten hierzulande besonders hoch ist, was Deutschland zu einem sehr vielversprechenden Markt für diese nachhaltigen Optionen macht.

Kultiviertes Fleisch ist in Europa noch nicht als Lebensmittel zugelassen. Wann wird Ihrer Meinung nach kultiviertes Fleisch hierzulande erhältlich sein und welches sind die aktuellen Hindernisse auf dem Weg dahin?

Rzegotta: Auf dem Weg zur Marktreife von kultiviertem Fleisch haben wir in den vergangenen Monaten große Fortschritte gesehen. In den USA wurden die ersten Produkte nun zugelassen und auch in anderen Märkten laufen entsprechende Verfahren. Wann die Produkte in Deutschland und in Europa auf den Markt kommen, hängt im Wesentlichen von zwei Dingen ab: Zum einen müssen die Herstellungskosten weiter gesenkt und die notwendigen Produktionskapazitäten aufgebaut werden, bevor die Produkte auf den Massenmarkt kommen können. Hier braucht es neben privaten Investitionen auch deutlich mehr öffentliche Förderung in den Bereichen Forschung und Infrastruktur. Deutschland hat viel in die Energiewende und die Transportwende investiert, eine vergleichbare Anstrengung bei der Förderung der Ernährungswende steht noch aus.

Und was ist das zweite Hindernis?

Rzegotta: Kultiviertes Fleisch fällt in den Geltungsbereich der Novel-Food-Verordnung der EU. Daher müssen Produkte aus kultiviertem Fleisch eine gründliche Überprüfung der Lebensmittelsicherheit durchlaufen, bevor sie in der EU verkauft werden dürfen. Gegenwärtig ist der Prozess jedoch sehr bürokratisch und dauert deutlich länger als in anderen Regionen der Welt. Die deutsche Regierung sollte den Unternehmen hier stärker mit maßgeschneiderten Beratungsangeboten unter die Arme greifen.

Welche Rolle spielen deutsche Unternehmen bei der Entwicklung von kultiviertem Fleisch?

Rzegotta: In Deutschland gibt es eine Reihe von vielversprechenden Start-ups im Bereich der Zellkultivierung, vor allem aber ist Deutschland als wichtiger Industriestandort Vorreiter in den vorgelagerten Bereichen – etwa bei der Entwicklung von nachhaltigen Nährmedien oder bei der Konstruktion von Fermentern für die Kultivierung und die Fermentation. Deutsche Unternehmen wie Merck, The Cultivated B und GEA positionieren sich auch weit über Deutschland hinaus als Rückgrat dieser neuen Branche.

Ein weiteres spannendes Feld ist die Fermentation. Durch Fermentation können mithilfe von Mikroorganismen Produkte hergestellt werden, die wie Fleisch aussehen und schmecken und dieselben Kocheigenschaften aufweisen. Wo stehen wir gerade in diesem Prozess?

Rzegotta:  Innerhalb des Sektors für alternative Proteine beginnt die Säule Fermentation gerade erst, ihr volles Potenzial zu entwickeln. Gegenwärtig arbeiten weltweit mindestens 136 Unternehmen an der Herstellung von nachhaltigen Proteinen auf Basis von modernen Fermentationsverfahren. Deutschland ist in diesem Bereich sehr stark aufgestellt, denn hierzulande gibt es die drittmeisten Start-ups nach den USA und Israel, zum Beispiel Formo, Mushlabs und Kynda. Damit ist das deutsche Ökosystem auf dem Weg, in dieser aufstrebenden Kategorie ein globales Kraftzentrum zu werden.

Wie kann der Bereich Fermentation vorangebracht werden?

Rzegotta: Die Herausforderungen bei der Fermentation sind im Grunde dieselben wie bei der Zellkultivierung: Die dahinter liegenden Technologien funktionieren und Unternehmen haben gezeigt, dass sich damit schmackhafte und nachhaltige Produkte herstellen lassen. Doch um den Produktionspreis auf Augenhöhe zu den tierischen Pendants zu bringen und um nennenswerte Mengen davon zu produzieren, braucht es nun eine Kraftanstrengung beim Kapazitätsaufbau. Dabei sind sowohl private Investoren als auch politische Entscheidungsträger gefragt. 

Sie haben davon gesprochen, dass wir in Deutschland alle Voraussetzungen dafür haben, um bei der Ernährungs- und Proteinwende ein weltweiter Vorreiter zu sein. Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung? Und glauben Sie nicht, dass uns andere Staaten wie Israel, Singapur, die USA und die Niederlande hier bereits voraus sind?

Rzegotta: Die Erfahrung zeigt, dass die erfolgreichsten Ökosysteme für alternative Proteinquellen dort entstehen, wo die Politik den Sektor aktiv mitgestaltet, um das wirtschaftliche, ökologische und gesundheitliche Potenzial zu heben. Israel und Singapur sind Vorreiter in diesem Bereich. Große Industriestaaten wie die USA, China und Japan machen sich nun ebenfalls auf den Weg und sehen die Förderung von alternativen Proteinen als einen strategischen Hebel in ihrer Wirtschaftspolitik. Doch bislang hat kein Staat einen unaufholbaren Vorsprung in diesem Bereich.

Was sollte die Politik in Deutschland tun, um alternative Proteinquellen voranzubringen?

Rzegotta: Wenn die deutsche Bundesregierung die Zusage aus dem Koalitionsvertrag, alternative Proteinquellen zu fördern, engagiert umsetzt, dann kann Deutschland ins Spitzenfeld aufrücken. Denn grundsätzlich haben wir hier alles, was es dafür braucht: eine innovative Start-up-Landschaft, eine starke Lebensmittelwirtschaft und Landwirtschaft, ein exzellentes Forschungssystem sowie aufgeschlossene Verbraucher.

Entscheidend ist jetzt, dass die Politik die Weichen in den Bereichen Forschungsförderung, Infrastrukturaufbau, Regulierung und fairer Wettbewerb richtig stellt und den etablierten Akteuren in Landwirtschaft und Lebensmittelwirtschaft bei der Transformation hilft. Hierfür braucht es jetzt vor allem eine nationale Roadmap, die verbindlich darlegt, was getan werden muss, um Deutschland bis 2030 zum globalen Innovationsführer im Bereich alternative Proteine zu machen.

 

US-Behörden geben kultiviertes Fleisch für den Verkauf frei

 


Das Interview führte für Sie: Antje Schwickart

Referentin Media Relations,

Messe Frankfurt


Kurz erklärt:   Iffa

Die Iffa, Technology for Meat and Alternative Proteins, findet alle drei Jahre in Frankfurt am Main statt. Sie ist die weltweit führende Fachmesse für Innovationen in der Prozesstechnik für Fleisch und alternative Proteine. Auf der letzten Iffa im Jahr 2022 präsentierten sich 860 Aussteller aus 44 Ländern. Über die Hälfte davon (58 %) kam aus dem Ausland.

Die nächste Iffa findet vom 3. bis 8. Mai 2025 statt.

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