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Simulation verkürzt die Testphase

Abfüllung hochpotenter Wirkstoffe bei OEB 5
Simulation verkürzt die Testphase

Effizienterer Einsatz von Ressourcen, Erhöhung der Produktivität oder das kurzfristige Reagieren auf Marktanforderungen – es gibt unzählige Gründe für die Optimierung oder Anpassung verfahrenstechnischer Prozesse. Doch kein Anlagenbetreiber will dabei unliebsame Überraschungen erleben. Daher hat sich der Einsatz von Simulationssoftware mittlerweile als zuverlässige Methode etabliert, um Auswirkungen von Änderungen vorab ausgiebig zu prüfen.

Ob maßgeschneiderte Onkologie-Medikamente oder Antikörper-Wirkstoff-Konjugate, Highly Potent Active Pharmaceutical Ingredients (HPAPI) erzielen erstaunliche Erfolge. Bei der Produktion und Abfüllung stellen sie Pharmaunternehmen allerdings vor große Herausforderungen. Sehr kleine Volumina und Chargen, die Losgröße eins erreichen, sind hier ebenso zu berücksichtigen wie umfangreiche Containment-Maßnahmen. Roche gehört zu den Pharmaunternehmen, die HPAPI unter höchsten Containment-Anforderungen herstellen und abfüllen. Am Standort Mannheim steht eine der weltweit modernsten Vial-Abfüllanlagen. Hochautomatisiert und sehr flexibel sollen hier hochpotente Wirkstoffe abgefüllt werden und entsprechend ist das OEB-Level 5 Standard. Das bedeutet, dass nicht mehr als 1 µg Wirkstoff unbeabsichtigt in 1 m3 Luft zu finden sein darf. Die Anlage in Mannheim kann sowohl flüssige als auch gefriergetrocknete HPAPI abfüllen. Das ist aber nur bei einem reibungslosen Zusammenspiel der knapp zwei Dutzend Prozesseinheiten möglich. Anlagentechnisch ist das eine ebenso große Herausforderung wie seitens der Automatisierung. Der Wirkstoff muss gegen Kontamination von außen abgesichert sein und gleichzeitig sind die Mitarbeitenden vor dem Wirkstoff zu schützen. Sobald das erste Medikament auf der Anlage abgefüllt wird, hat es die Zulassung für genau die angegebenen Prozessschritte, Maschinen, Hilfsmittel, Reagenzien, Materialien etc. Jede Änderung macht eine umfangreiche, erneute Qualifizierung erforderlich.

Flexibilität bedingt Komplexität

Momentan befindet sich die Mehrzweckabfüllanlage in der Validierung- und Qualifizierungsphase. Das bedeutet auch für die Automatisierer ein enormes Testaufkommen, denn die flexibel nutzbare Anlage mit knapp zwei Dutzend einzelnen Prozesseinheiten wird für spätere Einsätze vorbereitet. Jede Einheit interagiert mit zwei bis drei weiteren. Dazu müssen physische wie automatisierungstechnische Schnittstellen aufeinander eingestellt werden. Für die flüssige Vial-Abfüllung greifen zahlreiche Schritte ineinander: das Waschen und Sterilisieren der Vials, der eigentliche Füllvorgang, das Aufsetzen der Stopfen und der Bördelkappen sowie die Kennzeichnung und Umverpackung. Bei der Abfüllung von gefriergetrockneten Wirkstoffen sind noch mehr ineinandergreifende Einzelschritte zu beachten. Dazu kommen in beiden Abfüllmodi zahlreiche Hilfsprozesse wie Lüftungs- und Druckkonzepte sowie diverse Hilfsmedien, z. B. Prozessdampf oder Wasser- und Abwasser. Bei jedem Prozessschritt auf jeder einzelnen Maschine ist darüber hinaus die strikte Einhaltung der geforderten Umgebungsbedingungen sowie die Dokumentation erforderlich.

Zeitgewinn durch Simulation

Um den zeitlichen Aufwand beim Testen dieser vielfältigen Zusammenhänge zu reduzieren, entschied man sich in Mannheim für das Aufsetzen eines Testsystems. Nach einer Evaluierung unterschiedlicher Softwaresysteme fiel die Wahl auf Simit von Siemens. Simit ermöglicht über Simulationsmodelle den umfassenden Test von Automatisierungsprojekten sowie die virtuelle Inbetriebnahme von Systemen, Maschinen und Prozessen auf einer Plattform. Durch Integration thermodynamischer oder kinetischer Vorgänge kann auch das dynamische Verhalten einer Anlage dargestellt werden. Diese Simulationstiefe wird zurzeit bei Roche allerdings nicht benötigt.

Mithilfe des virtuellen Testsystems soll Zeit auf der realen Anlage eingespart werden. So gab es z. B. die Idee, die umfangreiche Protokollierung zu vereinfachen. Diese umfasst sämtliche Prozessschritte und deren Kontrollen – von der Leerglasbemusterung über Füllstandsüberprüfungen bis hin zu Stopfensitz- und Bördekappenkontrolle jedes einzelnen Vials. Um die Brauchbarkeit und den Mehrwert der Optimierungsidee zu überprüfen und sicherzustellen, dass das vereinfachte Protokoll den strengen Auflagen der Regulierungsbehörden entsprechen würde, nutzten die Spezialisten das Simit-Testsystem. Dadurch konnten sogar weitere Optimierungen identifiziert und umgesetzt werden. Viel wichtiger war aber, dass die realen Maschinen dadurch nicht blockiert waren. Zur selben Zeit wurden andere notwendige Tests durchgeführt und insgesamt konnten 15 Tage auf der realen Anlage eingespart werden.

Risikominimierung im Fokus

Das Beispiel illustriert, wie erfolgreich die ursprüngliche Herausforderung mit Simit gemeistert werden konnte, denn die Idee für das Testsystem entstand tatsächlich aus der Notwendigkeit, die Verfügbarkeit der realen Maschinen zu erhöhen. Durch das langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeiten von Roche und Siemens am Standort Mannheim konnte diese Aufgabe direkt adressiert werden. Bei Roche in Mannheim sind unter anderem Scada-Systeme (Simatic WinCC) und Prozessleittechnik (Simatic PCS 7) von Siemens im Einsatz. Es folgte ein gemeinsamer Workshop, bei dem sowohl Möglichkeiten und Nutzen der Siemens-Simulationsplattform vorgestellt wurden, als auch die konkreten Anforderungen der Automatisierungsspezialisten an ein Testsystem gesammelt werden konnten. Mittlerweile lassen sich drei Anwendungsfelder unterscheiden, in denen mithilfe von Simit erhebliche Vorteile erzielt werden sollen:

  • Änderung an Automatisierungsprogrammen inklusive umfangreicher Tests
  • Risikominimierung beim Einspielen von Updates oder Patches
  • Schulung neuer Mitarbeitenden

In Simit kann das Automatisierungsprogramm in ein emuliertes Automatisierungssystem, den integrierten Virtual Controller, geladen werden. Für jedes reale Automatisierungssystem steht ein solcher virtueller im System zur Verfügung sowie auch die Kopplungen und sämtliche Schnittstellen und notwendigen Signale von Sensoren bzw. Aktoren. Dadurch können die veränderten Prozessabläufe und deren Auswirkungen in der virtuellen Testumgebung ausgiebig untersucht und verglichen werden, ohne dass dafür die reale Anlage belegt werden muss. Erst wenn sämtliche Änderungen geprüft und fehlerfrei sind, wird der neue Programmcode in die realen Controller geladen. Waren sogenannte Patchdays für das Aufspielen kumulierter Softwareaktualisierungen vor Jahren aufgrund der damit notwendigen erneuten Qualifizierung in pharmazeutischen Anlagen ein Ding der Unmöglichkeit, macht heute die unbedingte Aufrechterhaltung von größtmöglicher IT-Sicherheit ein regelmäßiges Patchen zur reinen Notwendigkeit.

Solche Aktualisierungen werden in Mannheim über einen risikobasierten Ansatz gehandhabt. Durch das Einspielen der Patches in die Simit-Umgebung lassen sich konkrete Risiken zunächst identifizieren, dokumentieren und mit konkreten Risikowerten hinterlegen. Auch hier wird wertvolle Anlagenzeit eingespart und Risiken beim Einspielen auf das Realsystem wesentlich verringert.

Schließlich will Roche das virtuelle Testsystem ebenso für die Schulung von Mitarbeitenden einsetzen. Die Arbeit in der gesicherten Trainingsumgebung von Simit kann der Umgang mit der Mehrzweckabfüllanlage unbeschwert, aber 100 % realitätsnah eingeübt werden. Gleichzeitig geschieht das unabhängig vom Produktivsystem und hat somit auch keinen Einfluss auf dessen Verfügbarkeit.

Siemens AG, Nürnberg


Autorin: Verena Lehmann

Marketing Managerin,
Digital Industries, Automation & Engineering,

Siemens

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