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Kalibrierdaten sinnvoll integrieren

Selbstkalibrierende Thermometer in Sterilprozessen
Kalibrierdaten sinnvoll integrieren

Pharmazeutische Unternehmen bewegen sich in einem Spannungsfeld aus Compliance, dem Wunsch nach hoher Anlagenverfügbarkeit und Kostenreduzierung. Eine Automatisierung der Prozesse kann hier Abhilfe schaffen. So erhöht beispielsweise die Implementierung selbstkalibrierender Temperatursensoren die Prozesssicherheit sowie die Anlagenverfügbarkeit.

Die Zahl der kalibrierpflichtigen Messstellen hat sich im zentraleuropäischen Raum in den letzten 10 Jahren schätzungsweise um 30 bis 40 % erhöht. Im gleichen Zuge streben immer weniger junge Menschen eine Ausbildung zum Service- und Kalibriertechniker an. Daraus ergibt sich eine wachsende Kluft zwischen dem steigenden Kalibrierbedarf und dem qualifizierten Wollen und Können. Eine Möglichkeit, diese Kluft in Zukunft zu überwinden, ist der vermehrte Einsatz von Lösungen, die das manuelle Kalibrieren unterstützen, reduzieren oder sogar eliminieren. Hier besteht eine der größten Herausforderungen darin, dass diese Lösungen im GMP-regulierten Umfeld bekannt und akzeptiert sein müssen. Die Selbstkalibrierung von Temperaturmessstellen kann eine Lösung sein. Dabei kommen beispeilsweise selbstkalibrierende Temperatursensoren iTherm Trustsens von Endress+Hauser zum Einsatz, die neben ihren regulären Messwerten auch direkt qualitätsrelevante Daten erzeugen. Aber wie soll mit den Daten umgegangen werden und wie können sie genutzt werden? Die Antwort darauf lautet: „Es kommt darauf an, was Sie mit der Selbstkalibrierung vorhaben“. Die Zielsetzung des pharmazeutischen Herstellers ist also entscheidend für die Implementierung der Technologie und die damit verknüpfte Datennutzung.

Physikalischer Fixpunkt als Referenz

Über das Funktionsprinzip des selbstkalibrierenden Temperatursensors iTherm Trustsens wurde schon viel berichtet. In wenigen Worten lässt sich sagen, dass sich in der Sensorspitze direkt am Pt100-Messelement ein Referenzmaterial befindet, das über einen physikalischen Fixpunkt verfügt. Bei dieser sog. Curie-Temperatur bei 118 °C findet eine reproduzierbare, driftfreie und auswertbare Änderung der Materialeigenschaften statt, die einen direkten Rückschluss auf die aktuelle Prozesstemperatur zulässt. Da Sterilprozesse nach jedem Batch eine Heißdampfsterilisation durchlaufen, findet nach jedem Batch in der SIP-Abkühlphase eine vollautomatische Einpunktkalibrierung des Sensors statt. Aufgrund des wissenschaftlich bewiesenen möglichen Fehlerverhaltens von Pt100-Elementen kann mit dieser Technologie bei einer Einpunktkalibrierung die Messunsicherheit über den gesamten Messbereich von -40 bis +160 °C garantiert werden. Der Mess-Loop kann zudem intelligent und permanent überwacht werden, um der Forderung nach geschlossener Loop-Kalibrierung zu entsprechen.

Mit jeder in-situ Selbstkalibrierung wird im Sensor ein Kalibrierdatensatz erzeugt, der über das Hart-Signal ausgelesen werden kann. Sollte der Sensor eine fehlerhafte Selbstkalibrierung erkennen, z. B. aufgrund eines abgebrochenen SIP-Prozesses, gibt er eine Fehlermeldung aus. Der Umgang mit solchen Informationen hängt nun von der individuellen Zielsetzung im Kalibriermanagement ab.

Mehr Prozesssicherheit bei geringerem Aufwand

Endress+Hauser verfügt über umfangreiche Erfahrungen mit der selbstkalibrierenden Sensorik und weiß, wie die pharmazeutische Industrie die Implementierung angeht. Dabei ist man sich auch der Hürden bewusst, die vor allem in der Infragestellung jahrzehntelanger Kalibrierpraxis, der Befürchtung der Arbeitssubstitution sowie der zögerlichen Akzeptanz der Qualitätssicherung begründet liegen. Aber: Die selbstkalibrierende Technologie ist 100%ig sicher und GMP-konform. Und wenn mit der Implementierung innovativer Technologien eine Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit erreicht werden kann, dann ist die Öffnung in Richtung Digitalisierung mittel- bis langfristig unausweichlich. Die Praxis zeigt, dass pharmazeutische Unternehmen die innovative Temperatursensorik eher in Neubauprojekten einsetzen. In Bestandsanlagen wird der Change-Aufwand gemieden.

Wie sieht nun der typische Implementierungsprozess aus? Zu Beginn steht immer die Frage nach der technischen Akzeptanz. Wenn hier ein unternehmensinterner Konsens erreicht ist, folgt schnell die Frage nach der Zielsetzung, d. h., was mit der selbstkalibrierenden Sensorik erreicht werden soll. Ein Lohnhersteller wird diese Frage anders beantworten als ein Hersteller, der im eigenen Auftrag produziert. Die heute in der Praxis formulierten Ziele zur Implementierung von selbstkalibrierenden Thermometern sind die Erhöhung der Prozesssicherheit (Selbstkalibrierung findet hier ergänzend statt) oder die langfristige Streckung manueller Kalibrierintervalle (Selbstkalibrierung substituiert hier einen Teil der manuellen Kalibrierung). Als langfristiges Ziel ist aufgrund der 100%igen GMP-Konformität auch eine vollständige Substitution der manuellen Kalibriertätigkeiten möglich.

Selbstkalibrierdaten vollständig integrieren

Wenn das Ziel definiert wurde, gilt es, praktische Erfahrungen mit der Sensorik zu sammeln. Die in den Sensoren erzeugten Selbstkalibrierdaten können vollständig integriert und archiviert werden. Je höher die Zahl der Sensoren pro Anlage, desto sinnvoller erscheint eine Datenintegration. Dies lässt sich anhand eines Beispiels verdeutlichen: Eine Anlage mit 500 Sensoren und einer Batch-Zeit von zwei Wochen erzeugt 13 000 Selbstkalibrierdatensätze pro Jahr. Auch der Datenumfang hängt von der Zielsetzung ab. Es sollten sinnvollerweise mindestens zwei Datensätze integriert werden, der Kalibrierzähler und die letzte Abweichung. Diese werden im übergeordneten System mit der Systemzeit verheiratet. Es gibt aber auch die Möglichkeit, weitere Informationen zu archivieren wie Messstellennummer, letzte NE107-Diagnose, Alarmgrenzen etc. Der Umfang und die Zielsetzung entscheiden dann über die richtige Hardware-Topologie.

Datenintegrationskonzepte in der Praxis

Der einfachste Weg ist die ausschließliche Verwendung der Sensorik. Hier findet keine Datenintegration in übergeordnete Topologien statt, die Sensorik wird nur im Fehlerfall ausgelesen und die Daten situativ bewertet. Die nächste Stufe besteht in der Integration weniger Hart-Variablen über eine Eingangsbaugruppe z. B. Simatic ET 200M oder vergleichbare Systeme. Die Daten werden im übergeordneten Steuerungssystem, getrennt von der eigentlichen Messwertübertragung, verarbeitet und archiviert. So werden bereits Daten über eine definierte Zeit gesammelt, um anschließend fakten- bzw. risikobasierte Optimierungen zu ermöglichen. Als zusätzlichen Weg der Integration weniger Hart-Variablen kann ein Datenschreiber (Typ Memograph RSG45) in den Mess-Loop eingeschleift werden. Dieser greift automatisch die Kalibrierdaten aus den Sensoren über Hart ab und dokumentiert diese manipulationssicher.

Auch die vorqualifizierte Integration über eine Simatic ET 200SP mit Profinet-Anbindung ist möglich. Hier können alle in den Sensoren verfügbaren Datensätze integriert und archiviert werden. Dies macht in Optimierungsszenarien Sinn, besonders, wenn eingangs noch gar nicht klar ist, auf welcher Basis die Optimierungen z. B. nach ein bis zwei Jahren durchgeführt werden sollen. Ebenfalls möglich ist die Datenintegration über das Endress+Hauser IIoT-Ökosystem Netilion. In diesem Industrie-4.0-Szenario schlummern große Potenziale zur umfassenden Nutzung diverser in den Sensoren vorliegender Daten, jedoch wurde dies in der pharmazeutischen Praxis noch nicht umgesetzt.

Wenn die Sensorakzeptanz erreicht, die Zielsetzung definiert, die Datenintegration realisiert und praktische Ergebnisse erzielt und mit manuellen Ergebnissen korreliert wurden, können faktenbasierte Schlüsse gezogen werden. Diese bilden dann die Grundlage beispielsweise für eine Verlängerung manueller Kalibrierintervalle und die nötigen Anpassungen im Kalibriermanagementsystem.

Des Weiteren steigt mit der Implementierung der selbstkalibrierenden Temperatursensoren automatisch die Anzahl der durchgeführten Kalibrierungen und mit diesen die Prozesssicherheit sowie die Anlagenverfügbarkeit. Weil manuelle Kalibrierungen in Zukunft reduziert werden können, sinken die Standzeiten der Anlagen für Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten und damit einhergehend der Aufwand für das Personal. Darüber hinaus ist die Qualität im Produktionsprozess durch die regelmäßigen automatischen Selbstkalibrierungen kontinuierlich sichergestellt.

Endress+Hauser GmbH+Co KG, Weil am Rhein


Autor: Philipp Garbers

Branchenmanager Life Sciences,

Endress+Hauser Deutschland

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