Startseite » News (Prozesstechnik) »

Das Dilemma mit der Energieeffizienz

Kommentar: Realität statt Utopie gefordert
Das Dilemma mit der Energieeffizienz

Energieeffizienz ist in aller Munde und kein Unternehmen verzichtet gegenwärtig auf eine entsprechende Außendarstellung. Doch für die Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen fehlen klare Vorgaben der Politik, zumal Brüssel bei entsprechenden Effizienzvorgaben Abwanderungen der Unternehmen befürchtet. Wo die Versäumnisse sind, welche Auswirkungen das hat und welche Möglichkeiten es gibt, aus diesem Dilemma wieder herauszukommen, kommentiert Friedrich Klütsch, Referent für Technik im VDMA-Fachverband Pumpen + Systeme.

Energieeffizienz ist einer der am häufigsten zitierten Begriffe, wenn es um eine zeitgemäße Selbstdarstellung von Unternehmen oder deren Produkten geht. Prüft man die Darstellungen der einzelnen Unternehmen, stellt man allerdings fest, dass die Aussagen kaum vergleichbar sind und im Grunde eine objektive Bewertung unmöglich machen. Oftmals wird einer öffentlichkeitswirksamen Gestaltung der Botschaften mehr Bedeutung zugemessen als der Objektivität und der Präzision der Aussagen.

Nun ist es kein großes Geheimnis mehr, die hohen Ziele, die sich die Politik selbst gesetzt hat, werden in den festgelegten Zeiträumen nicht erreicht werden. Man kann sich nun auf die Suche nach den Schuldigen machen, aber man wird, wie immer bei derart komplexen und auch wirtschaftlich brisanten Themen, keinen alleinig Schuldigen finden.
  • Man kann die Politik als Schuldigen benennen, die versuchte, per Dekret Energieeinsparungen zu diktieren, ohne deren Umsetzungen ausreichend real abzuschätzen, und die aktuell mit teils überhasteten Konjunkturfördermaßnahmen versucht, zu retten was nicht mehr zu retten ist.
  • Man kann den Apparat Brüssel als den Übeltäter anprangern, Brüssel, dort wo hunderte Verwaltungsangestellte aus verschiedenen Ressorts ohne entsprechende Qualifikation mittels Studien, die teils von ebenso wenig Sachkundigen verfasst werden, versuchen, eine Europäische Gesetzgebung in Sachen Energieeffizienz aufzubauen.
  • Man kann die Industrie als Schuldigen ausmachen, die mit zum Teil großmundigen Ankündigungen prophezeit hat, große Einsparungen zu realisieren.
So macht der eine, was man von ihm verlangt; er erfüllt die Vorgaben, z. B. die der EuP (ErP)-Richtlinie, so gut er kann und sucht die Lücke, die ihm sein Intellekt weist, nachdem die Brüsseler Bürokraten die finalen Festlegungen ohne Industriebeteiligung treffen. Der andere geht die Kompromisse ein, die für die Wählerschaft verträglich sind. Und dem Ausführenden in Brüssel sind die Hände gebunden, ob der Anforderungen, die von allen Seiten auf ihn einstürzen. All diese provozierenden Kritiken tragen einen mehr oder weniger großen Funken Wahrheit in sich. Da ist die Frage erlaubt, wann die Zukunftsaussichten düster genug sind, um aus den Fehlern der Vergangenheit Lehren zu ziehen?
Geschäftsmodell Energieeffizienz
Bei der Industrie ist die Botschaft „Energieeffizienz ist ein Geschäftsmodell“ angekommen. Sie hätte nur gerne exakt definierte Rahmenbedingungen, an denen niemand herumdoktert. Die Industrie wünscht sich mehr „Gegenspieler“, die mit Sachverstand und technologischem Hintergrund zu pragmatischen, sinnvollen und umsetzbaren Gesamtlösungen beitragen, statt sich zum Sprachrohr von Idealisten zu machen, die Wirkungsgrade jenseits der 100 % fordern. Die Industrie wünscht sich spezifische Ansätze, die Besonderheiten verschiedener Anwendungen und die Anforderungen der Betreiber berücksichtigen.
Hier sind wir nun an dem Punkt angelangt, über den sich die verschiedenen Lager seit der Vorstellung der EuP-Richtlinie trefflich streiten, da die EuP-Philosophie auf Investitionsgüter ausgedehnt wird. Denn derartige Produkte arbeiten nicht isoliert, sondern im Verbund mit anderen Komponenten, die, jede für sich, Einflüsse auf die angrenzenden Teile und damit auf den Gesamtwirkungsgrad einer Anlage oder eines Systems haben. Sicherlich schadet ein hocheffizientes Produkt nicht, wenn es in einem schlecht abgestimmten System verwendet wird, aber man schöpft auch nicht das vorhandene Potenzial des Produkts aus und man gibt mehr Geld aus, das bei sinnvolleren Investitionen fehlen wird. Unter diesen Gesichtspunkten ist die nun im Zuge der EuP-Studie für Werkzeugmaschinen aufgetauchte Option des „Modulansatzes“, der Maschinen in deren Komponenten zerlegt und einzeln bewertet, aus der Sicht der Energieeffizienz zum kläglichen Scheitern verurteilt. Hier stellt sich die Frage, ob man nicht um des baldigen Endes der Diskussion willen den Holzweg beschreitet und den „schwarzen Peter“ an die Komponenten weiterreicht, getreu dem Motto „Geteiltes Leid ist halbes Leid“. Das Thema Energieeffizienz ist viel zu komplex, um mit solchen Primitivansätzen gelöst zu werden.
Nun sind sich die technischen Experten einig, dass nur die Systembetrachtung Energieeinsparungen generieren wird, die zur signifikanten Reduzierung des Energieverbrauchs beitragen werden. Um aber das gesamte Energieeinsparpotenzial heben zu können, wird es unumgänglich sein, zeitnah auch bestehende Systeme energetisch zu verbessern.
Klare Linie fehlt
Doch wie soll das realisiert werden. Die Europäische Kommission befürchtet – nicht ganz zu Unrecht – eine Abwanderung der Produktion im Falle höherer Auflagen für die Betreiberunternehmen und scheut bis dato Auflagen für Betreiber in Sachen Energieeffizienz. Die Betreiber haben – aus gutem Grund – wenig Interesse, ihre Produktionsanlagen von sog. Energieberatern analysieren und bewerten zu lassen, da sie den Abfluss von Know-how befürchten müssen. Die Hersteller von Maschinen/Geräten, die bereits von der Produktbetrachtung (EuP) direkt betroffen sind, wären im Falle einer Systembetrachtung lediglich die zweite Stimme im Chor. Vorab müssten für die Eigentümer vorhandener Anlagen und Systeme geeignete und nachhaltige, vor allem aber verträgliche Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Nachdem die Spieler nominiert sind, geht es darum, die Spielregeln aufzustellen. Dazu gehören vor allem einheitliche Bezugsgrößen und eine eindeutige Beschreibung der Produkte und, was schwieriger ist, des Systems.
Was ist ein System? – Ein System gibt es nicht. Demzufolge wird es schwierig, das System zu definieren, da Systemgrenzen vielfältig sind und doch jede für sich sinnvoll gezogen werden kann. Das heißt nicht, dass eine Systembetrachtung unmöglich ist. Sie lässt sich nur nicht stringent formalisieren. Zu einer Systembetrachtung gehört vor allem eines – viel Know-how. Damit sind wir bei einem weiteren, entscheidenden Problem. Wer hat dieses umfassende und tiefgehende Know-how? – Eines scheint klar, je komplexer ein System aufgebaut ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dieses Know-how in einer Person oder in einem „Lager“ allein anzutreffen. Hier ist gemeinsames Handeln von Betreiber und Hersteller gefordert.
Viele Unternehmen haben in der Vergangenheit Energieeffizienzanalysen im eigenen Haus durchgeführt und entsprechende Maßnahmen umgesetzt. Sie gelten als Vorreiter der Öko-Bewegung. Aber haben diese Maßnahmen das Machbare ausgeschöpft? Wie gut waren die Experten, wie komplex das betrachtete System? Aus der Energieeffizienzdiskussion darf sich niemand mit bereits Geleistetem ausnehmen – Energieeffizienz ist ein fortwährender Prozess und, ernst betrieben, ohne ein firmenspezifisches Energiemanagement nie optimal umsetzbar.
Neben all den Fragen gibt es zumindest ansatzweise auch Antworten. Der VDMA Fachverband Pumpen + Systeme hat im Rahmen der Kampagne „Energieeffiziente Pumpensysteme in Industrie und Gewerbe“ in den verschiedensten Anwendungen Systeme betrachtet und Optimierungsmaßnahmen vorgeschlagen. Einige Beispiele der Kampagne, wie auch aus dem Nachfolgeprojekt „Leuchttürme energieeffizienter Pumpensysteme in Industrie und Gewerbe“, weisen eindeutig den Weg. Energieeinsparungen über 20 % waren die Regel, in Einzelfällen deutlich höher. Tendenziell nahm mit der Komplexität des Systems auch das Potenzial zur Energieeinsparung zu. Auch Unternehmen, die von der Energieeffizienz der eigenen Anlagen überzeugt waren, konnten erfahren, dass in Sekundärprozessen ein nicht zu vernachlässigendes Energieeinsparpotenzial verborgen war. Die Ergebnisse haben VDMA und Dena ermutigt, das Prozedere der durchgeführten Energieberatungen in einem VDMA-Einheitsblatt (VDMA 24262) zu veröffentlichen.
Sachdienlichkeit muss her
Denen, die die Wirtschaftlichkeit von Energieeffizienzmaßnahmen in Zweifel ziehen, sei gesagt, dass bei den erzielten Kapitalrenditen – von ca. 30 bis weit über 100 % kein sauberes Kapitalinvestment mithalten kann. Und denen, die der Industrie den Willen zu sinnvollen Maßnahmen in Sachen Energieeinsparungen absprechen, mögen die Resultate der Kampagne genügen zu verstummen und statt an utopischen und nicht realisierbaren Lösungen zum Zweck der Selbstdarstellung festzuhalten, sich in die Erarbeitung sachdienlicher, realisierbarer Lösungen einzubringen. Wenn dann noch die Politiker begreifen, dass sie nicht sich, sondern ihre Aussagen verkaufen müssen, und erkennen, dass ihre Wähler nicht von Vorhersagen, sondern mit der Realität leben müssen, dann kann auch das Thema Energieeffizienz in umfassender Weise – systemisch optimal – gelöst werden, wie VDMA und Dena eindrucksvoll bewiesen haben.
Online-Info: www.cav.de/0211423
…die Option des Modulansatzes, der Maschinen in deren Komponenten zerlegt und einzeln bewertet, ist aus der Sicht der Energieeffizienz zum kläglichen Scheitern verurteilt.
Unsere Webinar-Empfehlung
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

cav-Produktreport

Für Sie zusammengestellt

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Top-Thema: Instandhaltung 4.0

Lösungen für Chemie, Pharma und Food

Pharma-Lexikon

Online Lexikon für Pharma-Technologie

phpro-Expertenmeinung

Pharma-Experten geben Auskunft

Prozesstechnik-Kalender

Alle Termine auf einen Blick


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de