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Wasser erwärmen mit ungenutzter Energie

Kooperation zwischen Linde und Steag am Standort Leuna
Wasser erwärmen mit ungenutzter Energie

Die Leuna-Steag-Energiegesellschaft mbH verwendet die in 1300 m Entfernung anfallende Abwärme einer Verdichterstation der Linde AG zur Temperierung von Wasser für eine Deionat-anlage. Kernstück der Anlage ist ein Wärmeübertrager, der das lediglich 20 bis 24 °C warme Abwasser nutzt.

Dr. Peter Nowak und Dieter Linke

Ein besonderes Beispiel für die wirtschaftliche und ökologisch sinnvolle Nutzung von Restwärme niedriger Temperaturen bei industriellen Prozessen liefern Linde und Steag in Leuna. Statt aufwendig und teuer produzierten Dampfes setzt der Standortversorger Leuna-Steag-Energiegesellschaft mbH (LSE) bei der Herstellung vollentsalzten Wassers (Deionat) Restwärme auf dem sehr niedrigen Temperaturniveau von 20 bis 24 °C aus einer Verdichterstation von Linde ein.
Mit dieser Wärme, die bei der Produktion von Druckluft anfällt und ohne weitere Verwendung bliebe, wird bei der Deionatherstellung Frischwasser aus der Saale auf 20 °C aufgeheizt. Diese Temperatur ist am Einlauf in die Deionatanlage erforderlich (Abb. 1). Das Deionat wird in der Anlage über ein mehrstufiges Reinigungs- und Filtrationsverfahren gewonnen. Die maximale Frischwasserleistung beträgt etwa 600 Tonnen pro Stunde.
Bisher mit Dampf beheizt
Bevor das Industriekraftwerk Nord am Standort Leuna Mitte 1997 stillgelegt wurde, war das Frischwasser mit Hilfe von Niederdruckdampf (5 bar) aus diesem Kraftwerk aufgewärmt worden. Später erfolgte die Aufwärmung über Niederdruckdampf (2,5 bar, 150 °C) aus dem Dampfnetz der InfraLeuna Infrastruktur und Service GmbH, der zentralen Infrastrukturgesellschaft am Standort. Die vorgehaltene Leistung beträgt ca. 16 t stündlich und die jährlich benötigte Dampfmenge ca. 43 000 t. Die Dampfmengen entsprechen einem mittelfristigen Deionatbedarf am Standort von 250 t/h. Sollte sich der Deionatbedarf am Standort auf die maximal mögliche Leistung von stündlich 375 t erhöhen, wäre die jährlich für die Wasseraufwärmung benötigte Dampfmenge ca. 65 000 t.
Seit Inbetriebnahme der Deionatanlage war es das Bestreben der Steag, eine Möglichkeit zu finden, auf die Verwendung hochwertigen Dampfes zur Erwärmung des Frischwassers zu verzichten und statt dessen am Standort vorhandene Abwärme zu nutzen. Gleichermaßen war die am Standort ansässige Linde AG aus ökologischen Gründen bemüht, die in ihrer Luftverdichterstation in großen Mengen anfallende Abwärme sinnvoll einzusetzen. Linde-Betriebsleiter Wolfgang Dietrich war wesentlich am Kontakt der beiden Unternehmen beteiligt: „Die Firmen kennen sich hier am Standort Leuna sehr gut und jedes Unternehmen weiß, was hier im Chemiepark passiert.“
Primärenergie einsparen
Im vorliegenden Projekt wurde die Nutzung der Abwärme, die auf einem äußerst niedrigen Temperaturniveau von 20 bis 24 °C anfällt, realisiert. Es spart damit Primärenergie in der Größenordnung von 44 000 MWh im Jahr ein (dies entspricht einer jährlichen CO2-Einsparung von 7400 t) und entlastet die am Standort bestehenden Dampferzeugungskapazitäten insbesondere während der kalten Jahreszeit, wenn der Dampfbedarf für die Frischwasseraufwärmung aufgrund der niedrigen Frischwassertemperaturen sehr hoch ist und nur durch den Einsatz zusätzlicher Erdgasmengen gedeckt werden kann. Bei Steigerung des Deionatabsatzes auf den maximal möglichen Wert würde sich die Primärenergieeinsparung auf ca. 66 500 MWh im Jahr erhöhen (CO2-Einsparung ca. 11 500 Tonnen jährlich).
Vier Verdichter liefern Abwärme
Die Verdichterstation der Linde AG hat eine elektrische Leistungsaufnahme von 4 x 10 MW und liefert Druckluft für die Luftzerlegung. Bei der Luftzerlegung fällt Wärme an, die üblicherweise wegen ihres niedrigen Temperaturniveaus über ein Rückkühlwerk mit Hilfe eines Kühlwasserkreislaufs abgeführt wird. Zur Realisierung der Restwärmenutzung wird der bestehende Kühlwasserkreislauf aufgetrennt und ein Teilstrom über Wärmeübertrager geleitet, die ihrerseits kaltes Saalewasser auf die geforderte Temperatur erwärmen (Abb. 2). Über eine wärmegedämmte Rohrleitung wird das aufgewärmte Saalewasser von der Verdichterstation zur Deionatanlage der Steag gepumpt (Abb. 3).
Wärmeübertrager als Herzstück
Um diesen Kern herum waren mehrere Nebeneinrichtungen erforderlich, die einen einwandfreien, störungs- und rückwirkungsfreien Betrieb der Luftverdichtung, der Deionaterzeugung und der projektierten Anlage zur Aufwärmung einer angeforderten Frischwassermenge auf 20 °C rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr gewährleisten. Wesentliche technische Nebeneinrichtungen sind:
• Druckerhöhungspumpen, die den nötigen Druck zum Transport des Frischwassers liefern und gleichzeitig über ein höheres Druckniveau eine Verunreinigung des Frischwassers durch chemisch behandeltes Verdichterkühlwasser ausschließen.
• Umschalt- und Spüleinrichtungen, die eine Reinigung verschmutzter Wärmeübertrager ermöglichen.
• Umfangreiche Regel- und Kontrolleinrichtungen, die die Lieferung einer gewünschten Frischwassermenge bei konstanter Temperatur erlauben, obwohl Rohwassertemperatur, Verdichterleistung und Ausgangsbedingungen des mit atmosphärischer Luft gekühlten Rückkühlwerks ständig schwanken.
• Zur Einbindung der zusätzlichen Warmwasserleitung wurden Umbauten und regelungstechnische Anpassungen in der Deionatanlage vorgenommen. Einschränkungen bei der Verfügbarkeit der Anlage und beim erforderlichen Temperaturniveau von 20 °C wurden ausgeschlossen, um die Versorgung des Standortes nicht zu gefährden. Es wurde also die Möglichkeit erhalten, die Deionatanlage in der bisherigen bewährten Betriebsweise zu fahren.
Ändern der Betriebsabläufe
Die Kooperation zwischen den beiden Unternehmen erforderte auch eine Änderung der Betriebsabläufe. Es entstand ein Werkverbund, zu dessen erfolgreichem Dauerbetrieb ein ständiger Datenaustausch und die regelmäßige Abstimmung der Betriebsmannschaften erfolgt. „Zunächst standen die Mitarbeiter der Umstellung der Betriebsabläufe mit Skepsis gegenüber. Inzwischen ist man aber sowohl bei Steag als auch bei Linde trotz kleiner Startprobleme begeistert“, zieht Dietrich über das erste halbe Jahr seit Inbetriebnahme der Anlage Bilanz. Die technische Umsetzung des Projektes erfolgte im wesentlichen durch die Firmen WlG-Engineering, Leuna (Wärmeübertragersystem) und H&G-Hegmanns, Halle (GfK-Rohrleitung).
Weitere Informationen cav-202
Die Unternehmen am Standort Leuna
Die Leuna-Steag-Energiegesellschaft mbH (LSE), eine Tochtergesellschaft der Steag AG und der Mitteldeutschen Energieversorgung AG (MEAG) betreibt am Chemiestandort Leuna ein Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk (GuD) zur Versorgung des Standortes mit Strom und Dampf. Sowohl dieses Kraftwerk als auch weitere Produktionsstätten am Standort benötigen größere Mengen vollentsalztes Wasser (Deionat). Aus diesem Grund betreibt die LSE zusätzlich zur GuD eine Deionatanlage mit einer maximalen Deionatleistung von 375 Tonnen pro Stunde. Sowohl die GuD als auch die Deionatanlage sind Eigentum der Steag-Energieanlagen Sachsen-Anhalt GmbH (SESA), eine 100%ige Tochtergesellschaft der Steag AG.
Die Linde AG ist am Chemiestandort Leuna sowohl als Lieferant von Chemieanlagen (Werksgruppe Verfahrenstechnik und Anlagenbau) wie auch als Erzeuger und Lieferant von Industriegasen (Werksgruppe Technische Gase) präsent. In ihren Luftzerlegungsanlagen produziert Linde bis zu 90 000 Nm3/h Sauerstoff sowie Stickstoff und Argon. Darüber hinaus wird in zwei unterschiedlichen Wasserstoffanlagen einmal aus Synthesegas und einmal aus Erdgas 90 000 Nm3/h Wasserstoff gewonnen; ebenfalls aus Synthesegas werden Kohlendioxid und Kohlenmonoxid erzeugt. Mit der Produktion und Lieferung dieser sechs wichtigen technischen Gase über das eigene Rohrleitungsnetz ist Linde vielfältig in das verflochtene Netz von Lieferungen und Leistungen sowohl der am Chemiestandort Leuna als auch an benachbarten Standorten ansässigen Firmen eingebunden.
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