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Schlanke Tripple-Dichtung

Hochdruck-GLRD für Hydrierreaktoren in der Anlage Bayer Therban
Schlanke Tripple-Dichtung

Gleitringdichtungen für Rührwerke und Reaktoren werden im Hochdruckbereich bei 250 bar und mehr eingesetzt. Durch besondere Maßnahmen in der hydraulischen Auslegung der Dichtung sowie der konstruktiven Gestaltung der drucktragenden Teile ist es möglich, auch bei geometrisch schlankem Design eine verformungsstabile Gleitringdichtung zu bauen, die den Ansprüchen nach höchster Sicherheit, langer Lebensdauer und geringer Leckage gerecht wird.

Dr. Bernhard Jenisch

Für eine Anlage zur Hydrierung von Nitrilkautschuken wurde ein Reaktor mit einem Betriebsdruck von 85 bis 110 bar und einem Nennvolumen von 40 m3 mit zugehörigem Rührwerk ausgelegt und gebaut. Der Kessel ist in der Regel bis zu einem Volumen von ca. 38 m3 gefüllt. Die Anlage steht bei Bayer in Leverkusen und stellte eine der größten Investitionen der letzten Jahre dar. Gleichzeitig verlangte der hochexplosive Wasserstoff in Verbindung mit dem hohen Druck und großem Volumen ein hochwertiges Sicherheitskonzept, speziell für alle drucktragenden Teile. Ein Austritt von Wasserstoff in der vorhandenen Größenordnung könnte katastrophale Folgen haben. Unter diesem Gesichtspunkt wurde auf die Zuverlässigkeit und redundante Sicherheit der Gleitringdichtung des Reaktors größten Wert gelegt. Die Auslegung der Dichtung und des zugehörigen Versorgungssystems wurde daher in enger Zusammenarbeit zwischen Endkunde, Planer, Rührwerkshersteller und Burgmann durchgeführt.
Die Gleitringdichtung wird im vorliegenden Fall mit einem Sperrdruck von 95 bis 125 bar betrieben. Die Dichtung musste auf einen Betriebsdruck von 130 bar ausgelegt werden und wurde mit einem Prüfdruck von 169 bar (1,3-facher Auslegungsdruck) getestet und abgenommen. Normalerweise wird ein Dichtungsgehäuse nicht nach der Druckbehälterverordnung ausgelegt. Das Druckvolumenprodukt war jedoch so groß, dass alle Kriterien und Abnahmeprüfungen gemäß Druckbehälterverordnung angewendet und die Dichtung danach berechnet, konstruiert und gefertigt wurde.
Dichtungsausführung
In vielen Bereichen des Maschinenbaus ist bekannt, dass bei wachsenden Dimensionen die erforderlichen Bauteile aufgrund der Platzverhältnisse nicht proportional mit wachsen können. Übersetzt auf die Gleitringdichtung heißt dies, dass bei einer Verdoppelung des Wellendurchmessers nicht alle Bauteile der Dichtung auch auf die doppelten Dimensionen anwachsen können. Damit wird die Dichtung schlanker. Außerdem wächst mit der Größe die Gefahr von Beulen und Ausknicken der Bauteile. Deshalb musste, wie im vorliegenden Fall, für eine Gleitringdichtung mit einem Wellendurchmesser von 200 mm die Konstruktion eine hohe Stabilität aufweisen, jedoch wenn möglich alle Verformungskräfte hydraulisch ausbalanciert werden, damit es nicht zu Verformungen der Gleitflächen und zu erhöhter Leckage oder gar Gleitringbrüchen kommen kann.
Die eingesetzte Gleitringdichtung wurde daher als so genannte Tripple-Dichtung ausgeführt. Drei hintereinander geschaltete Gleitringdichtungen erfüllen die nötigen Sicherheitsanforderungen. Abbildung 1 zeigt den Schnitt durch die Gleitringdichtung Typ HSHLV-D/200-TA1. Die Gleitpaarung, die zum Produkt zeigt und die nachfolgende Dichtung wurden in Back-to-Back-Anordnung eingesetzt, während die dritte Dichtung in Tandemanordnung zur Atmosphäre abdichtet. Entgegen früher üblichen Ausführungen wurde der Sperrdruck nicht auf beide Dichtungsräume aufgeteilt. Man hätte damit die Belastung der einzelnen Gleitringgruppen auf die Hälfte reduzieren können. Da Wasserstoff speziell unter hohem Druck absolut sicher abgedichtet werden muss und eine eindeutige Redundanz einer Sicherheitsdichtung erkennbar sein soll, entschloss man sich, beide Dichtungskreisläufe unter vollem Sperrdruck zu fahren. Die mittlere der drei Dichtungen wirkt dann unabhängig davon, wo ein Schaden auftritt, immer als Reservedichtung. Da beide Sperrkreisläufe unter vollem Druck stehen, kann immer geprüft werden, ob diese unter maximaler Belastung dicht sind. Zusätzlich sind alle drei Dichtungen druckumkehrsicher ausgelegt. Bei einem Zusammenbruch des Sperrdruckes oder einem zu hohen Produktdruck bleiben alle Dichtungen geschlossen. Damit ist im Störfall immer ein gezieltes und/oder verzögertes Abfahren des Produktionsprozesses ohne Gefahr für die Umwelt und das Bedienungspersonal möglich.
Hydraulische Auslegung
In der Dichtung wurden alle drei Dichtungspaarungen mit gleichen Gleit- und Gegenringen ausgestattet. Dadurch liegen alle hydraulischen Durchmesser auf dem gleichen Wert. Aus der Dichtung wird so keine zusätzliche Axialkraft auf die Rührerwelle ausgeübt. Der stationäre Gegenring ist in einer nahezu symmetrischen Bandage eingeschrumpft. So können bei Temperaturschwankungen keine Verformungen aus den unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten von Stahl zu Keramik entstehen. Gleichzeitig ergibt dies eine optimale kraftschlüssige, kerbfreie Drehmomentübertragung zwischen Keramik und Stahlring. Die formschlüssige Kraftübertragung zwischen Drehmomentstift und Bandage ermöglicht ein freies, axiales Bewegen des Gleitringes bei gleichzeitig sicherer Drehmomentübertragung. Durch die völlig symmetrische Druckbeaufschlagung des Gegenringes kann keine Verformung des Gegenringes auftreten. Abbildung 2 zeigt die Druckverteilung am Gegenring. Zusätzlich werden alle Gegenringe mit hydrodynamischen Schmiernuten ausgestattet, die eine optimale Schmierung der Gleitpaarung auch im Mischreibungsbereich sicher stellen.
Als entlasteter Gleitring wurde ein eingeschrumpfter Kohlegraphitring gewählt, der im Mischreibungsbereich gegen eine Keramik ein sehr gutes Laufverhalten aufweist. Durch den kleinen E-Modul der Kohlewerkstoffe wird der Gleitring gegen den hohen Sperrdruck durch einen Stützring stabilisiert. Somit können die positiven Gleiteigenschaften auch für hohe Druckbereiche genutzt werden. Zusätzlich wird auf eine möglichst gleichmäßige Schrumpfspannung zwischen Kohlewerkstoff und Bandage geachtet, damit Temperaturschwankungen keine Auswirkung auf das Leckageverhalten haben. Der dynamische O-Ring wird durch einen verstärkten PTFE-Formring gegen Spaltextrusion gesichert.
Der produktseitig vorgeschaltete Kühlflansch reduziert die Prozesstemperaturen. Eine Polymerisationssperre verhindert nach dem Siphonprinzip Anbackungen von Produkt an der Gleitringdichtung, die die axialen Nachsetzbewegungen der Dichtung behindern könnten. Das eingesetzte Pendelrollenlager erlaubt kleinere Winkelabweichungen und/oder Durchbiegungen der Welle. Die Übernahme der radialen Stützfunktion für die Rührerwelle erlaubt eine sichere und kostengünstige Konstruktion der Wellenlagerung des Rührwerks.
Versorgungssystem
Durch die Belastung beider Kreisläufe mit dem gleich hohen Sperrdruck können beide Kreisläufe fast völlig identisch aufgebaut werden. Der hohe Druck erlaubt außerdem eine permanente Überprüfung der Druckdichtheit der beiden Kreisläufe. In den Dichtungskreisläufen wird die Sperrflüssigkeit durch Umwälzpumpen zirkuliert, durch einen Kühler wird die entstandene Reibwärme abgeführt. Die Leckage der Gleitringdichtungen wird durch ein automatisches Nachspeisesystem ersetzt. Durch geeignete Absicherungen und Absperrorgane wird ein Durchschlagen einer Dichtung im Schadensfall verhindert. Druckspeicher gewährleisten eine Notfunktion der Druckhaltung zur sicheren Beendigung eines Produktionszyklus. Das gesamte Versorgungssystem ist mehrfach bei Druck- und Temperaturwerten mit Alarmen überwacht. Die Zirkulation im Dichtungskreislauf wird durch einen Durchflussmesser kontrolliert und alarmiert.
Das Versorgungssystem ist für den Ex-Bereich komplett in einem großen Schrank mit Zwangsbelüftung untergebracht. Abbildung 3 zeigt ein vereinfachtes Schema der Versorgungseinrichtung mit den beiden Dichtungskreisläufen und der Nachspeiseeinheit.
Fazit
Durch eine bewährte Dichtungskonfiguration mit veränderter Betriebsweise und ein speziell darauf abgestimmtes Versorgungssystem konnte für den Einsatz im Hochdruckbereich und bei kritischen Medien ein umfassendes Sicherheitskonzept verwirklicht werden. Die Anlage Therban ist inzwischen ca. 12 Monate in Betrieb. Dichtung und Sperrsystem erfüllen ihre Aufgabe störungsfrei.
E cav 228
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