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Bio ist auf dem Vormarsch

Große Fortschritte bei Kunststoffen auf natürlicher Basis
Bio ist auf dem Vormarsch

Sulzer Chemtech hat ein Verfahren entwickelt, das die Herstellung neuer Polylactide mit einer Temperaturstabilität bis +180 °C ermöglicht. Zentrales Element des Verfahrens ist der SMR-Mischreaktor. Im Juni ging eine neue Pilotanlage für Biokunststoffe in der Schweiz in Betrieb. Der Betriebsleiter Lorenzo Ghelfi gibt in diesem Interview Einblicke in die Entstehung und Bedeutung der Anlage.

Biokunststoffe, auch organische Kunststoffe genannt, werden im Gegensatz zu herkömmlichen, auf Erdöl basierenden Kunststoffen aus erneuerbarer Biomasse gewonnen. In einigen Nischenanwendungen haben Biokunststoffe bereits eine starke Marktposition, zum Beispiel bei kompostierbaren Mulchfolien. Die Einführung neuer Produktionstechnologien sorgt jetzt dafür, dass Biokunststoffe auch für den Massenmarkt verfügbar und erschwinglich werden. Für Polymilchsäure haben Sulzer Chemtech und Purac, ein Unternehmen der niederländischen CSM Gruppe, ein neues Polymerisationsverfahren zur Herstellung von hochwertigem PLA entwickelt. Im Jahr 2011 nahm das niederländische Chemieunternehmen Synbra Technology die erste PLA-Anlage mit dieser Technologie in Betrieb. Mit einer jährlichen Produktionskapazität von 5000 t ist die Anlage die zweitgrößte ihrer Art weltweit. Im Juni 2012 hat Sulzer Chemtech eine eigene PLA-Anlage mit einer Produktionskapazität von 1000 t/a in Betrieb genommen.

cav: Herr Ghelfi, Sie und Ihr Team nennen die neue Pilotanlage scherzhaft Jolanda. Was kann Jolanda?
Ghelfi: Mit dieser Anlage im Industriemaßstab können wir den Biokunststoff Polymilchsäure (PLA, Polylactic Acid) herstellen. Jolanda kann bis zu 1000 Tonnen PLA pro Jahr produzieren. Ausgangsstoff unseres Prozesses sind Dimere der Milchsäure, die aus natürlichen Rohstoffen wie Zucker, Stärke oder Cellulose gewonnen werden.
cav: Was ist an diesem Prozess so besonders?
Ghelfi: Unser Polymerisationsverfahren zeichnet sich vor allem durch die Mischtechnologie aus. Mit unserer statischen Mischtechnologie und dem Mischreaktor SMR plus können wir die Reaktionszeit deutlich verkürzen und trotzdem den ganzen Prozess sehr gut kontrollieren. Bei anderen Verfahren befindet sich das Polymer über sehr viel längere Zeiträume in großen Reaktoren. Mit Zunahme der Viskosität während der Reaktion lässt sich in solchen Reaktoren die Verweilzeit nicht im gesamten Behältervolumen kontrollieren. Unsere Anlage ist hingegen mit zahlreichen, sehr effizienten Heiz- und Kühlzonen ausgestattet. So können wir in jedem Bereich des Polymerisationsprozesses Temperatur, Viskosität und Druck genau steuern und damit die gewünschten Produkteigenschaften erreichen.
cav: Wie ist die Idee für diesen PLA-Prozess entstanden?
Ghelfi: Sulzer hat bereits vor über 20 Jahren Erfahrungen mit Milchsäure und Derivaten für die PLA-Herstellung gesammelt. Damals war das Thema die Aufbereitung und Reinigung von Milchsäureprodukten durch Rektifikation. Danach haben wir Kristallisationstechnik für Lactide entwickelt. Mit der Akquisition der Firma Kühni hat Sulzer Chemtech 2009 die Kompetenzen im Anlagenbereich verstärkt. Eine Zusammenarbeit mit Purac und Synbra als Endkunde hat dann zu unseren PLA-Aktivitäten geführt. Hierfür haben wir unsere erprobte Misch- und Reaktionstechnik als Basis verwendet und spezifisch für die Herstellung von PLA weiterentwickelt. Eine erste, kontinuierliche Pilotanlage in Winterthur mit der neuen PLA-Technologie lieferte derart überzeugende Ergebnisse, dass in sehr kurzer Zeit ein Auftrag zum Bau einer Großanlage bei Synbra zustande kam. Mit dem neuen Verfahren können unsere Kunden Biokunststoff mit hoher Qualität und maßgeschneiderten Eigenschaften produzieren – und das zu einem Preis, der mit herkömmlichen petrochemischen Kunststoffen zunehmend konkurrieren kann.
cav: Die neue Pilotanlage eröffnet nun ganz andere Möglichkeiten. Was sind die größten Vorteile für die Kunden?
Ghelfi: Die neue PLA-Anlage in Pfäffikon ist größer und effizienter als die bestehende Pilotanlage in unserem Testcenter in Winterthur. Mit dem Betriebskonzept der neuen Anlage können wir nun auch einen Dauerbetrieb sicherstellen. In Pfäffikon beschäftigen wir neun Mitarbeiter in drei Schichten. Darüber hinaus arbeiten wir eng mit unserem Entwicklungslabor in Winterthur zusammen, wo unsere Analytik angesiedelt ist. Die neue Anlage hat verschiedene Aufgaben. Sie dient zukünftigen Kunden als Demonstrationsanlage und ermöglicht die Ausbildung ihrer Mitarbeiter. Darüber hinaus kommt sie für die Produktion zum Einsatz, sowohl für die Herstellung von größeren Produktmustern für Kunden als auch für die Entwicklung von eigenen Rezepturen und neuen PLA-Produkten.
cav: Auch die Musterherstellung ist ein wichtiges Thema für die Kunden.
Ghelfi: Ja, denn die Kunden betreiben in dem Zeitraum vom Kauf bis zur Fertigstellung einer PLA-Anlage ihre Marktentwicklung – und im Marketing gibt es viele Risiken. Bevor man in einer Großanlage im Kilotonnen-Maßstab produziert, muss geklärt werden, ob die richtigen Produkte ausgewählt wurden, ob die Qualität den Anforderungen bestimmter Anwendungen entspricht und ob genügend Endabnehmer gefunden werden. Daher benötigen unsere Kunden bereits im Vorfeld produzierte PLA-Muster, um daraus Endprodukte wie etwa Folien oder Fasern herstellen und testen zu können. Wir können mit unserer Anlage PLA-Muster mit verschiedenen Rezepturen in Mengen von 20 bis 200 Tonnen liefern und so dafür sorgen, dass bei den Kunden die spätere Produktion und der Verkauf glatt laufen.
cav: Wer sind Ihre Kunden?
Ghelfi: Wir bekommen Anfragen sowohl von großen Kunststoffproduzenten als auch von vielen kleineren Firmen, die kostengünstigen Zugang zu natürlichen Rohstoffen haben. In vielen Ländern Asiens und Südamerikas werden Pflanzen wie Zuckerrohr oder Maniokwurzeln in großen Mengen angebaut, sodass Zucker und Stärke gut zugänglich sind. Dort ist der Bau von Veredelungsanlagen oder sogar kompletten PLA-Anlagen in direkter Nähe zu den Anbauflächen besonders attraktiv.
cav: Weltweit interessieren sich immer mehr Firmen für PLA. Was ist der Grund dafür?
Ghelfi: Zunehmend sehen Firmen einen strategischen Vorteil darin, Produkte aus alternativen Rohstoffen anstatt aus Erdöl zu produzieren. Heute basieren im Kunststoffmarkt fast alle Produkte auf Erdöl und Erdgas. Der Wunsch, sich von den steigenden Preisen und der begrenzten Verfügbarkeit von fossilen Brennstoffen unabhängig zu machen, ist ein großer Trend.
cav: Ist das PLA-Geschäft auch für Sulzer ein Wachstumsmarkt?
Ghelfi: Ja, wir haben große Ziele. Die neue PLA-Technologie und unsere Demonstrationsanlage sollen unser Geschäft mit Polymeren deutlich steigern. Der – zurzeit noch kleine – Anteil der Polymerverfahrenstechnik am Gesamtumsatz von Sulzer Chemtech soll in den nächsten Jahren signifikant steigen.
cav: Was ist für die Zukunft geplant?
Ghelfi: Wir planen, Jolanda einige Jahre zu betreiben, um die neue PLA-Technologie am Markt zu etablieren. Die bedeutende Investition in diese Polymer-Anlage soll als Initialzündung dienen und zum Durchbruch der Technologie führen. Das Interview führte Dr. Tünde Kirstein.
prozesstechnik-online.de/cav1012419
Mit unserer statischen Mischtechnologie und dem Mischreaktor SMR plus können wir die Reaktionszeit deutlich verkürzen und trotzdem den ganzen Prozess sehr gut kontrollieren.

Mischen und gleichzeitig temperieren

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Mischreaktor

Der Sulzer Mischreaktor (SMR) ist ein Rohrbündelwärmetauscher, der eine hoch effektive Kühlung oder Erwärmung von viskosen Produkten ermöglicht. Er ist immer dann die erste Wahl, wenn effektives Mischen und kontrollierter Wärmeübergang kombiniert werden müssen.
Der SMR besteht aus einer Reihe von speziell konfigurierten Rohrbündeln. Sie sind senkrecht zueinander positioniert, was eine starke radiale Quermischung des Produktstromes als auch einen hohen Wärmeübergangskoeffizienten bei großer interner Wärmeaustauschoberfläche bewirkt. Wasser, Dampf, Wärmeträgeröl oder andere spezielle Kühlmittel können als Wärmeträgerflüssigkeiten verwendet werden. Jedes Bündel kann so modelliert werden, dass es verschiedene Misch- oder Wärmeübergangseffekte unterstützt, um strenge Prozessanforderungen zu erfüllen.
Die größten Vorteile sind ein gutes Pfropfenströmungsverhalten und eine enge Verweilzeitverteilung, eine gute Vermischung und ein geringes Reaktionsvolumen aufgrund hoher treibender Kraft für die Reaktion sowie ein schonender Umgang mit dem Produktstrom aufgrund geringer Scherkräfte. Es gibt keine Hot-Spots oder Totzonen, gleichzeitig ermöglicht der SMR eine große Flexibilität in Bezug auf Betrieb und Teillast.
Der SMR wird in Durchmesser n von 80 bis 1600 mm geliefert, die Länge wird bestimmt von den Prozessanforderungen und kann von 1 m bei kompakten Wärmetauschern bis zu 20 m bei kompletten Reaktortürmen variieren.
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