Extreme Sauberkeit in Produktionsbetrieben heißt bei Elektrogehäusen nicht nur schmutzeckenarmes Design, sondern auch häufige und harte Reinigungsprozeduren. Dazu müssen die Gehäuse in der Lebensmittel- und Pharmaanlagentechnik dicht gegenüber Hochdruckreinigern sein. Dies gilt vor allem dann, wenn sie in oder in der Nähe der Anlage platziert und nicht in einem separaten Schaltraum untergebracht sind. Bisher war diese Integration mangels Schutzart nicht möglich.
Dipl.-Ing. Jürgen Klein
Der Grad des Widerstandes eines Gehäuses gegen das Eindringen von Feststoffen und Wasser wird nach DIN/VDE 0470 und DIN 40050 in Schutzarten klassifiziert. Die höchste Schutzart gegen Strahlwasserbelastung ist nach dieser IP X 6 bzw. IP 66. Bei der Schutzartprüfung wird ein Wasserstrahl von einem bar Überdruck als Belastung aufgebracht. Da die industrielle Hochdruckreinigung bei 100 bar anfängt, sagt ein Testat IP 66 nichts über die Belastbarkeit für diese Art der Reinigung aus.
Schaltschrankabdichtungen
Die Messerkantenabdichtung ist derzeit die gebräuchlichste Schaltschrankabdichtung. Sie führt bei einem Minimum an aufzuwendenden Dichtkräften zu einem Maximum an Flächenpressung. Die zur Abdichtung über die Messerkante notwendige Flächenpressung muss theoretisch gleich der abzudichtenden Differenzdruckbelastung sein. Zusätzlich zu diesem Wert müssen weitere Sicherheiten eingebaut werden, da die Druckbelastung Schwingungen hervorrufen kann, die auf der Gehäuseseite zeitliche Verringerungen der Flächenpressung zu Folge haben. Außerdem haben die Gehäuseteile und die Dichtungen Fertigungstoleranzen, die zu Unterschieden in der Flächenpressung führen. Darüber hinaus gibt es elastische Deformationen der Gehäuseteile aufgrund der Dichtkräfte. Für eine sichere IP 66-Schutzart ist daher konstruktiv die 3- bis 5-fache Flächenpressung zur Abdichtung vorzusehen.
Betrachtet man einen Wasserstrahl auf seinem Weg bis zur Abdichtungsstelle des Gehäuses, so ergibt sich bei den meisten Konstruktionen folgendes Bild: Der Druckwasserstrahl wird häufig exakt dahin geleitet, wo er im Sinne einer guten Abdichtung nicht hin darf und nicht hin soll. Ein so dimensioniertes Gehäuse kann daher mit Strahlwasser nicht wesentlich über 1 bar Wasserdruck belastet werden, ganz gewiss nicht mit 100 bar und höher. Die dazu unter Beibehaltung des Konstruktionsprinzips notwendige Erhöhung von Flächenpressung und Dichtkraft auf das 100-fache kann mit einem Feinblechgehäuse wirtschaftlich nicht erbracht werden.
VerändertesKonstruktionsprinzip
Zwei Konstruktionsprinzipien sind in letzter Zeit entwickelt worden, nach denen Schaltschränke aus Feinblech mit vertretbarem Aufwand in derart hohen Schutzarten gebaut werden können. Im ersten Fall bleibt die IP 66-Dichtung erhalten und die Paneelkantung wird soweit verlängert, dass der Spalt zwischen Paneel und Korpus bis auf Fertigungstoleranzen geschlossen ist. Hierdurch wird das Strahlwasser vor der Dichtung abgelenkt. Zwar wird die Dichtung bei Strahlwasserbelastung noch nass, das Wasser hat jedoch keine Energie mehr, um die Flächenpressung zu überwinden. Ein VDE-Testat und ein Praxis-Feldtest mit mittlerweile über 1000 Gehäusen ergaben bei dieser Konstruktion die Schutzart IP 69K (100 bar, 80 °C). Diese Variante ist allerdings nur für Edelstahlgehäuse einsetzbar, da die hohe Flächenpressung zwischen Paneelkante und Korpus eine Lackschicht zerstören würde. Daneben ist sie sehr reinigungsfreundlich, weil das traditionelle Schmutznest zwischen Korpus und Tür beseitigt ist.
Eine zweite Variante besteht darin, dass sowohl IP 66-Dichtung als auch Paneelkantung erhalten bleiben. Zur Abwendung des hohen Staudruckes von der Dichtung wird die korpusseitige Dichtkante mit einer Abreißkante versehen, wodurch der harte Strahl sicher von der Stelle der Abdichtung ferngehalten wird. Beide Varianten lassen sich auch kombinieren.
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