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Damit die Bilanz nicht aus dem Gleichgewicht gerät

Energiestromanalysen decken Fehler rechtzeitig auf
Damit die Bilanz nicht aus dem Gleichgewicht gerät

Betreiber von Produktionsanlagen in der Lebensmittelindustrie suchen vielfach nach Lösungen, um für die Bereitstellung von Wärme, Kälte oder Dampf neue Energiequellen zu integrieren, gegebenenfalls zu kombinieren und dadurch Effizienzmaßnahmen zu realisieren. Die teils komplexen Konzepte begünstigen jedoch Planungsfehler. Das Beispiel einer Trocknungsanlage zur Pulverherstellung zeigt, wie wichtig eine Überprüfung der Pläne sein kann.

Ein Unternehmen aus der Lebensmittelindustrie plante, die bestehende Anlage um eine Suspensionstrocknungsstrecke zur Pulverherstellung zu erweitern. Dies betrifft den gesamten energieintensiven Veredelungsprozess und beinhaltet mehrere Prozessschritte. Pro Stunde sollen rund 60 t Suspension verarbeitet werden, die zunächst durch einen Eindampfer und einen Umlaufverdampfer eingedickt wird. Anschließend wird die Lösung abgekühlt, sodass sich Kristalle bilden und ausfallen. Diese feste Phase wird in drei Stufen dekantiert und so von der flüssigen Phase getrennt. Das Rohprodukt wird anschließend gewaschen und in einem Fließbett bei 150 °C im Luftstrom getrocknet. Durch weitere Mahl- und Trennprozesse wird das Endprodukt veredelt und dazu mit Druckluft gefördert.

In Kombination mit den bereits bestehenden Anlagen bieten sich in den verschiedenen energieintensiven Schritten vielfältige Möglichkeiten, den Prozess zu optimieren und effizienter zu gestalten. Durch Wärmerückgewinnung könnte das Unternehmen beispielsweise Heizwärme einsparen und gleichzeitig den Energieaufwand für die Rückkühlung reduzieren. Solche Synergien zu nutzen, ist umweltfreundlich und kann sehr häufig ökonomisch sinnvoll sein. Aus diesen Gründen wurde ein Anlagenbauer mit der Entwicklung eines geeigneten Anlagenkonzepts beauftragt. Vom Betreiber erhielten anschließend die Energieexperten von TÜV Süd den Auftrag, Anlagenkonzept und Pläne zu prüfen und nach Effizienz- und Optimierungspotenzialen zu suchen. Konkret ergab sich daraus die Aufgabe, Möglichkeiten zu identifizieren, ob und wie die anfallende Abwärme dem Prozess wieder nutzbar zugeführt werden kann.
Komplexe Prozesse
Zu diesem Zweck analysierten die Experten zunächst die Energie- und Stoffströme der geplanten Prozessschritte. Dies sind im Einzelnen die Vorwärmung, Eindampfung mit mechanischem Brüdenverdichter in der ersten Stufe und Dampfstrahlbrüdenverdichter in der zweiten Stufe, Dampfkondensation, Kristallisation und Trocknung sowie zusätzlich die externe Kälteerzeugung samt Rückkühlung. Bei Anlagen mit thermischen Transformationsschritten, wie im vorliegenden Fall, kommen der erste und der zweite Hauptsatz der Thermodynamik als Werkzeug zur Anwendung. Während der erste Hauptsatz – auch bekannt als Energieerhaltungssatz – für die Bilanzierung einer Anlage notwendig ist, gibt erst der zweite Hauptsatz Auskunft darüber, in welchem Verhältnis Nutzen und Aufwand bestenfalls zueinander stehen können, welche Effizienz also maximal erreicht werden kann. Nur mit diesen Informationen lassen sich letztlich die eingesetzten und transformierten Energiemengen bilanzieren. Über die Temperatur der Suspension in den Verdampfern und die Temperatur des Kühlwassers im Brüdenkondensator wurden anhand der Dampfdruckkurve Verdampfungs- und Kondensationsdruck sowie die zugehörigen Dampfenthalpien bestimmt. So konnte der Dampfstrahlverdichter bilanziert und mit einem Vergleichswirkungsgrad bewertet werden. Die gesamte Trocknungsanlage wurde zur Berechnung verschiedener Szenarien mit einer mathematischen Simulation abgebildet und die Ergebnisse vergleichend gegenübergestellt. Auf diese Art und Weise konnten die Experten auch bewerten, ob Modifikationen des Konzepts – beispielsweise eine größere Heizfläche zur Übertragung der Prozesswärme – energetisch und wirtschaftlich sinnvoll wären.
Kühlwassermenge unterschätzt
Gleichzeitig stellten die Experten jedoch fest, dass die Planungsunterlagen zur Erweiterung der Anlage erhebliche Diskrepanzen aufwiesen – und zwar innerhalb der energetischen Bilanzierung von Prozessdampf, Abdampf und Kühlwasser. Die Menge Kühlwasser, die benötigt wird, war deutlich unterschätzt worden. Das Kondensat wird im Brüdenkondensator mit einem Massestrom von 46 t/h von 16 auf 30 °C erhitzt. Über Kühlwasser wird Wärme abgeführt. In den Plänen waren dazu 3,5 t/h Kühlwasser vorgesehen. Tatsächlich ergab sich aber aus einem berechneten Dampfmassestrom im Brüdenkondensator von 2,1 t/h und einer entsprechenden Temperaturspreizung von 28 zu 42 °C ein Kühlwasserbedarf von 35,8 t/h. Das bedeutet nicht nur, dass die notwendige Menge Kühlwasser um den Faktor 10 unterschätzt wurde, sondern auch das Potenzial der anfallenden Abwärme, die eventuell für andere Prozessschritte genutzt werden kann. Auch die energetische Bilanzierung der Eindampfanlage war fehlerhaft. Die Pläne wiesen hier einen konstanten Dampfbedarf von 3,0 t/h aus. Dieser Bedarf enthielt jedoch auch die Wärmemenge zum Aufheizen der Suspension auf Betriebstemperatur vor dem Eintritt in die Eindampfanlage beim Anfahren der Anlage. Die Planer hatten also übersehen, dass die Suspension lediglich beim Anfahren der Anlage auf Temperatur gebracht werden muss. Im kontinuierlich laufenden Betrieb hat die Suspension durch interne Wärmeverschiebung bereits beim Eintritt in die erste Stufe die notwendige Soll-Temperatur von 60 °C. Im Verlauf der ersten Stufe wird sie dann lediglich um 11 K erwärmt, um die Soll-Temperatur von 71 °C für die zweite Stufe einzustellen. Die Energie, die lediglich beim Anfahren eingesetzt wird, darf deshalb nicht in die Bilanzierung des laufenden Betriebs mit einbezogen werden. Wird diese Energie aus der Bilanz herausgerechnet, ergibt sich ein reduzierter Dampfbedarf von 2,1 t/h.
Betriebsstörungen programmiert
Da einerseits die Kühlwassermenge deutlich unterschätzt worden war, sahen die Pläne einen Kühler vor, der zu klein ausgelegt war. Andererseits wurde in der Eindampfanlage ein Wärme- bzw. Dampfbedarf unterstellt, der im realen, laufenden Betrieb nicht vorherrscht. Wäre die erweiterte Anlage in der geplanten Form umgesetzt worden, wäre die Kühlwassertemperatur deutlich höher gewesen als vorgesehen und die Wärme hätte nicht in der erforderlichen Menge abgeführt werden können. In der Folge wäre mehr Abdampf entstanden als erwartet. Die tatsächlichen Bedingungen hätten mit großer Wahrscheinlichkeit keinen störungsfreien Betrieb erlaubt. Um die Planungsfehler zu korrigieren, entwickelten die TÜV-Süd-Experten gemeinsam mit dem Betreiber ein alternatives Anlagenkonzept mit zwei mechanischen Verdichtern und einem Dampfstrahlverdichter statt der ursprünglich geplanten Variante mit zwei Dampfstrahlverdichtern und einem mechanischen Verdichter.
Sorgfältige Energiestromanalysen identifizieren nicht nur Einspar- und Effizienzpotenziale. Sie decken auch Fehler in der Planung auf und stellen sicher, dass thermische Anlagen ordnungsgemäß funktionieren und störungsfrei arbeiten können. Bei der geplanten Trocknungsanlage zur Pulverherstellung konnten die TÜV-Süd-Experten mit der thermodynamischen Bilanzierung feststellen, dass die nötige Menge Kühlwasser deutlich unterschätzt und der Dampfbedarf im laufenden Betrieb deutlich überschätzt wurde. Das Beispiel zeigt: Wer die Energiebilanzen schon in der Planungsphase von unabhängigen Experten prüfen lässt, schützt sich vor nachträglichen Kosten und Produktionsausfällen, die entstehen können, wenn falsch ausgelegte Anlagen in Betrieb genommen werden.

Dr. Jörg Sager
Abteilung Energiesysteme, TÜV Süd Industrie Service, Dresden
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