Unternehmen der Pharmaindustrie arbeiten zusehends an ressourcenschonenden und damit ökologisch vorteilhaften Prozessen. Boehringer Ingelheim beispielsweise erreicht nach eigenen Vorstellungen bis 2030 CO2-Neutralität (Scope 1 und 2). Die Bayer AG strebt an, bis 2050 keine Nettoemissionen an Treibhausgasen mehr zu erzeugen. Die Stellschrauben, die dafür in Frage kommen, sind zahlreich: Strom und Druckluft aus ökologischen Quellen, alternative Packmittel oder modifizierte Produktionsabläufe bieten Unternehmen den nötigen Spielraum auf dem Weg zu einer langfristig nachhaltigeren Fertigung.
Daten mit Schlüsselfunktion
Damit technologische und prozessuale Anpassungen jedoch gelingen, benötigen sie eine weitere wichtige Ressource, die weitaus weniger ins Auge sticht als Anlagen und Produkte selbst: Daten. Erst wenn Verbräuche und Emissionen bezifferbar sind, lassen sich Schlüsse ziehen und Anpassungen vornehmen – sei es auf Maschinen- oder Prozessebene. Neben ausreichend Zeit erfordert eine umfassende Erhebung dieser Daten eine Berechnungsmethodik, die den bestehenden Anlagen – etwa einer Abfülllinie für flüssige Arzneimittel – gerecht wird: Strom- und Medienverbräuche, beispielsweise Wasser und Druckluft, muss sie nicht nur genau erfassen, sondern auch unterschiedlichen Betriebsmodi und Maschinen zuordnen. Auf diese Weise kann sie ein ganzheitliches Bild der Verbräuche zu unterschiedlichen Zeitpunkten liefern.
Life Cycle Assessment
Der pharmazeutische Lohnabfüller Siegfried mit Sitz in der Schweiz und Produktionsstandorten in Deutschland hat sich genau dieser Aufgabe angenommen und dazu den Schulterschluss mit einem ausgewiesenen Analyseexperten gesucht, der zudem die Abfüllanlagen liefert. Syntegon hat unlängst ein eigenes Berechnungsmodell im Sinne sogenannter Life Cycle Assessments (LCA) entwickelt, mit dem sich Energieverbräuche und Emissionswerte während des gesamten Lebenszyklus der Anlagen des eigenen Portfolios auswerten lassen. Nach umfangreichen Berechnungen auf Grundlage eigener Erfahrungswerte haben die Experten für Prozess- und Verpackungstechnik nun eine Analyse mit Daten des Lohnabfüllers durchgeführt.
Aufbruch in die Praxis
Für die Abfüllung unterschiedlicher flüssiger Arzneimittel betreibt Siegfried mehrere Linien von Syntegon, die neben Füll-, Verschließ- und Bördelmaschinen für Glasbehältnisse auch Vorrichtungen für die Sterilisation und Reinigung der Packmittel umfasst. Hinzu kommen Prozessanlagen zur Herstellung von Wasser für Injektionszwecke (WFI). Für den ökologischen Betrieb sämtlicher Komponenten hatte das Unternehmen vom klassischen Strommix eines lokalen Anbieters auf zertifizierten Strom aus erneuerbaren Energiequellen wie Wind und Wasser umgestellt. Den Dampf zur Herstellung von WFI bezieht der Lohnabfüller zudem aus der angrenzenden Müllverbrennung. Eine effiziente Druckluftanlage gehört ebenfalls zu den technologischen Neuerungen und versorgt Maschinenteile, aber auch Reinigungsanlagen mit Druckluft.
Analyse verschafft Klarheit
Während einer Woche trugen die Experten von Syntegon und Siegfried die benötigten Daten zusammen. Diese wurden mit Materialwerten einer spezialisierten Datenbank korreliert, um die eigentlichen Emissionen jeder Kategorie zu ermitteln.
Das Ergebnis der umfassenden Berechnungen: Durch die Nutzung von Ökostrom, selbst erzeugtem Dampf und Druckluft reduziert Siegfried seine CO2-Emissionen je nach Charge um bis zu 80 %. Dazu trägt die WFI-Erzeugung rund zur Hälfte bei, die Stromnutzung sämtlicher Maschinen zu einem Drittel. Der Rest entfällt auf die Drucklufterzeugung. Ein beachtliches Ergebnis, das zweierlei zeigt: Mit entsprechenden Anpassungen bei den Ressourcen lassen sich große Einsparungen erzielen. Man sieht aber auch: Ein Großteil der Emissionen entsteht auch bei der Verwendung von Ökoenergie während der Nutzenphase, die in diesem Fall immer noch zwei Drittel der Emissionen im Lebenszyklus ausmacht. Hier bestehen deshalb die größten Stellschrauben für weitere Reduktionen.
Einsparungen mit Kampagnenbetrieb
Wie dies aussehen könnte, zeigt eine zweite Berechnung, bei der die Auswirkungen veränderter Produktionsabläufe auf den CO2-Ausstoß im Vordergrund standen. Statt mehrere Einzelchargen zu fahren, setzt das Lohnunternehmen auf eine sogenannte Kampagnenabfüllung, also mehrere Chargen im Verbund. Formatwechsel, wie Anpassungen mechanischer Komponenten, und Reinigung reduzieren sich dadurch auf ein Minimum. Die Auswertung der mittleren Zeiten für Einzel- wie Sammelchargen belegt eindrucksvoll, dass der Lohnabfüller im Kampagnenbetrieb bis zu 20 % Emissionen spart.
Weichen stellen für die Zukunft
Die Transparenz liefert in beiden untersuchten Fällen wesentliche Erkenntnisse: Syntegon steht derzeit erst am Anfang der Auswertung der LCA. Denkbare Szenarien wären weitere Anpassungen der Produktionsabläufe, etwa durch Detailbetrachtungen der Emissionen auf Ebene der Produkte und Packmittel. So ließe sich unter anderem ermitteln, welchen Einfluss Packmittel wie Glas auf die Emissionen haben. Das Life Cycle Assessment ist dabei kein Selbstzweck, sondern bietet wichtige Impulse, die Unternehmen bei einer umsichtigen Planung und Erfüllung von regulatorischen Anforderungen berücksichtigen können – und die einen möglichen Weg in eine Welt mit weniger Umweltbelastung weisen.
Syntegon Technology GmbH, Waiblingen
Halle 3.1, Stand C71
Statement
Siegfried wollte zum einen Emissionseinsparungen ermitteln, die mit der Umstellung auf Ökoenergie einhergingen, zum anderen beabsichtige das Unternehmen, Auswirkungen veränderter Produktionsabläufe auf die Gesamtemissionen zu verstehen. Schließlich entfällt auf die Abfülllinie rund ein Zehntel des Energieverbrauchs am Standort. Was das Unternehmen nicht unmittelbar wusste: Wie genau wirken sich diese Anpassungen auf die eigenen Emissionen aus? Unsere Analyse verschaffte Klarheit, zumal sämtliche Maschinen vor Ort aus dem Portfolio von Syntegon stammen. Bei Bedarf konnten wir auf vorhandene Daten unserer jeweiligen Produktionsstandorte zurückgreifen, um die Analyse zu vervollständigen
Unternehmen sollten andere Anlagenzustände nicht außer Acht lassen: Welche Energie in der nicht-produktiven Zeit wirklich nötig ist, zeigen oft erst detaillierte Analysen, etwa zu den verschiedenen Stand-by-Modi. Auch hier haben Anlagenbetreiber mehrere Möglichkeiten, Ressourcenverbräuche und damit Emissionen effektiv zu steuern.