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Mit hoher Abbauleistung

Biologische Reinigung VOC- und CKW-haltiger Abluft
Mit hoher Abbauleistung

Mit Bio-Tricklingfiltern erschließt sich ein wirtschaftlich interessantes Verfahren zum Abbau von chlorierten und aromatischen Kohlenwasserstoffen in Prozessabluft. Mit einer Pilotanlage wurde unter realen Bedingungen der Nachweis erbracht, dass der biologische Abbau den behördlichen Vorgaben genügen kann und das Verfahren insgesamt eine ökonomisch wie ökologisch interessante Alternative darstellt.

Michael Buser

Der Einsatz von leicht flüchtigen Lösemitteln ist in der chemischen Produktion wie auch in vielen anderen Industriebereichen nichts Außergewöhnliches. So auch in einem englischen Mehrzweck-Produktionsbetrieb eines bekannten Schweizer Chemiekonzerns, wo verschiedene chlorierte und aromatische Kohlenwasserstoffe als Lösemittel verwendet werden. Damit möglichst wenig Lösemittel in die Atmosphäre gelangen, wird in geschlossenen Produktionsanlagen gearbeitet, die mit Kühlsystemen, Pendelleitungen und anderen technischen Einrichtungen ausgerüstet sind. Aufgrund dieser Maßnahmen können rund 60 bis 70% der Emissionen bereits am Entstehungsort vermieden werden. Die anfallende Prozessabluft wird abgesaugt und in entsprechenden Vor-Ort-Wäschern gereinigt, bevor sie über das Ventilationsnetz in die Atmosphäre entweicht. In Tabelle 1 ist die Zusammensetzung der emittierten Prozessabluft dargestellt. Aufgrund neuer gesetzlicher Rahmenbedingungen und der geplanten Produktionserweiterung reichen die heutigen Maßnahmen nicht mehr aus, weshalb eine zusätzliche Reinigungsstufe gebaut werden muss.
Verfahrensevaluation
Nach den britischen Vorschriften zur Luftreinhaltung werden unter dem Begriff BATNEEC (Best Available Technology Not Entailing Excessive Costs) oder neuerdings BAT (Best Available Techniques) neben der Grenzwerterreichung auch wirtschaftliche und gesamtökologische Kriterien, wie Ressourcen- und Energieverbrauch beurteilt. Basierend auf dieser Gesamtbetrachtung wurde eine umfassende Verfahrensevaluation durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass die biologische Abluftreinigung aufgrund der einfachen Betriebsweise und des geringen Energieverbrauches eine interessante und kostengünstige Alternative zu herkömmlichen Verfahren wie thermische Oxidation, Absorption oder Adsorption darstellt. Außerdem können biologische Verfahren ohne sicherheitstechnische Bedenken in explosionsgeschützten Produktionsanlagen eingesetzt werden. Es war auch bekannt, dass sich die in Tabelle 1 aufgelisteten Schadstoffe unter definierten Rahmenbedingungen biologisch abbauen lassen. Dennoch konnte nicht abgeschätzt werden, wie sich die komplexe und zum Teil auch wechselnde Abluftzusammensetzung auf die Abbauleistung auswirkt, weshalb vor Ort mit einer mobilen Pilotanlage Versuche durchgeführt wurden.
Bio-Tricklingfilter
Da die Prozessabluft im konkreten Fall vor allem chlorierte Kohlenwasserstoffe enthält, entstehen bei deren Abbau Säuren und Salze. Die sauren Abbauprodukte würden einen herkömmlichen Biofilter innerhalb kurzer Zeit versäuern und den Abbau zum Erliegen bringen. Deshalb wurde für die Pilotierung ein so genannter Bio-Tricklingfilter der Ciba Spezialitätenchemie eingesetzt. Das Prinzip eines Bio-Tricklingfilters ist in Abbildung 1 genauer dargestellt. Der Filter ist mit einem inerten Trägermaterial gefüllt, das von unterschiedlich spezialisierten Mikroorganismen besiedelt wird. Die belastete Abluft durchströmt den Filter vertikal. Durch die Berieselung des Filters gelangen die Luftschadstoffe in den biologisch aktiven Wasserfilm und werden dort durch Bakterien zu Kohlendioxid, Wasser und Salzen abgebaut. Saure Abbauprodukte werden mittels einer automatischen pH-Steuerung neutralisiert und aufgrund der kontinuierlichen Berieselung laufend aus dem Trägermaterial ausgewaschen. Durch den raschen Abbau der organischen Verbindungen wird ein hoher Konzentrationsgradient zwischen der Gas- und Flüssigphase aufrecht erhalten, weshalb mit dem Bio-Tricklingfilter auch schlecht wasserlösliche Verbindungen sehr effizient eliminiert werden können.
Mit dem gezielten Aufbau eines Biofilms werden in einem Bio-Tricklingfilter wesentlich höhere Abbauraten erreicht als mit einem herkömmlichen Biofiltersystem. Dies führt dazu, dass man mit kleineren Filtervolumen arbeiten kann und dass der Bio-Tricklingfilter auch für hochkonzentrierte Abluftströme einsetzbar ist. Aufgrund der beschriebenen Vorteile und der geringen Kosten kommt der Bio-Tricklingfilter immer öfters auch in der chemischen Industrie zum Einsatz. In Abbildung 2 ist ein Bio-Tricklingfilter abgebildet, der seit Anfang 2000 die hochkonzentrierte Abluft aus einem chemischen Synthesebetrieb behandelt.
Versuche im Technikum
1,2-Dichlorethan (DCE), im vorliegenden Fall in der Abluft am höchsten konzentriert, ist schlecht wasserlöslich ( 1 %) und weist einen hohen Dampfdruck auf. Aufgrund dieser ungünstigen Voraussetzungen wurde der biologische Abbau von DCE zunächst im Technikum untersucht. Zu diesem Zweck wurde der Pilotanlage eine definierte Luftmenge mit einer entsprechenden DCE-Konzentration zugeführt. Ein- und Austrittskonzentrationen wurden mit einem Flammenionisationsdetektor (FID) gemessen.
Um die Adaption und das Wachstum der Mikroorganismen zu beschleunigen, wurde der Bio-Tricklingfilter mit DCE-spezifischen Bakterien angeimpft. Bereits nach wenigen Wochen wurde ein maximaler Abbau erzielt. Aus Abbildung 3 wird ersichtlich, dass selbst bei hohen Abbauraten von bis zu 30 g/h DCE pro m3 Filterpackung sehr tiefe Austrittskonzentrationen von 5 mg/m3 erreicht werden können. Um bei den hohen Eintrittskonzentrationen auf tiefe Endwerte zu kommen, sind Aufenthaltszeiten im Bio-Tricklingfilter von über 3 min. notwendig. Weiter zeigte sich, dass der Bio-Tricklingfilter auch nach einer Abstellperiode von zwei Wochen innerhalb weniger Tage wieder eine hohe Abbauleistung erreicht.
Analog zu 1,2-Dichlorethan wurden in einem Laborfilter auch die Abscheideleistungen der Einzelstoffe Styrol und Epichlorhydrin (ECH) untersucht. Wie in Tabelle 2 zu sehen ist, können bei Abbauraten von bis zu 40 g/m3h Austrittskonzentrationen von 5 mg/m3 erreicht werden. Aufgrund des besseren Phasentransfers sind bei hohen Styrol- und ECH-Eintrittskonzentrationen wesentlich kürzere Verweilzeiten erforderlich, um tiefe Endwerte zu erreichen.
Pilotierung vor Ort
In einer nächsten Phase wurde vor Ort eine Pilotierung mit realer Prozessabluft durchgeführt. Dabei sollte untersucht werden, wie sich die komplexe und zum Teil auch wechselnde Abluftzusammensetzung auf die Abbauleistung auswirkt. Um eine Organika-Beladung zwischen 30 bis 40 g/m3h zu erhalten, wurde der Pilotanlage (Abb. 4) nur ein Teilstrom zugeführt. Zur Online-Messung wurde ein Fourier-Transform-Infra-Red-Sensor (FTIR) eingesetzt. Dadurch war es möglich, sowohl am Eintritt wie auch am Austritt des Bio-Trickklingfilters die Konzentrationen aller vorhandenen Einzelstoffe zu messen.
Während der Pilotierung hat sich gezeigt, dass es aufgrund der Prozessführung regelmäßig zu kurzzeitigen Spitzenbelastungen mit Epichlorhydrin kommt, die zu einer massiven Überlastung der Pilotanlage führen. In Abbildung 5 ist zu sehen, dass diese Epichlorhydrin-Spitzen praktisch unvermindert durch den Bio-Tricklingfilter strömen und zum Teil auch andere Stoffe mitreißen.
Im Gegensatz dazu werden 1,2-Dichlorethan und Isopropanol im Bio-Tricklingfilter trotz Schwankungen fast vollständig abgebaut. Die Eliminationsraten liegen meist zwischen 80 und 95%. In Abbildung 6 ist deutlich zu erkennen, dass sich die Abbauleistung mit der Betriebsdauer kontinuierlich verbessert. Dies wird darauf zurückgeführt, dass sich die Mikroorganismen im Laufe der Zeit immer besser an die Betriebsbedingungen adaptieren. Gegen Ende der Pilotierung werden die organischen Verbindungen im Schnitt zu über 90% abgebaut. Aufgrund der hohen Abbauleistung können selbst bei Eintrittskonzentrationen um 2000 mg/m3 Austrittskonzentrationen erreicht werden, die zum Teil unter 100 mg/m3 Gesamt-Organika liegen.
Es ist bekannt, dass Mikroorganismen, die schwer zugängliche Stoffe wie DCE abbauen können, nur sehr langsam wachsen und deshalb in starker Konkurrenz mit schnell wachsenden Bakterien stehen. Im Extremfall könnte dies zu einer Verdrängung der Spezialisten führen und den Abbau von schwer zugänglichen Stoffen zumindest vermindern oder gar verhindern. Wie aus Abbildung 7 ersichtlich wird, ist dieser Leistungseinbruch während der Pilotierung nie aufgetreten. Trotz der Anwesenheit von Isopropanol und anderen leicht abbaubaren Verbindungen wurde das 1,2-Dichlorethan während der ganzen Versuchsdauer zu 95% (Median) abgebaut. Aufgrund der hohen Abbauleistung beträgt der Median am Austritt des Bio-Trickklingfilters knapp 70 mg/m3 DCE, und rund 30% der Werte liegen unter 20 mg/m3.
Großtechnische Umsetzung
Aufgrund der erfolgreichen Pilotierung wurde beschlossen, die gesamte Prozessabluft aus dem beschriebenen Mehrzweck-Produktionsgebäude, rund 1000 m3/h, ab Ende 2002 mit dem Bio-Tricklingfilter-System zu behandeln. Gründe für diese Entscheidung sind neben den guten Abbauleistungen die im Vergleich zu herkömmlichen Technologien deutlich geringeren Investitionskosten und die sehr niedrigen Betriebskosten. Ein weiterer Vorteil des Bio-Tricklingfilters besteht darin, dass die Schadstoffe mit geringem Energie- und Ressourcenaufwand zu harmlosen Verbindungen wie Kohlendioxid, Wasser und Salzen abgebaut werden.
Während der Pilotierung hat sich gezeigt, dass kurzzeitig auftretende Spitzenbelastungen den Bio-Tricklingfilter mangels Pufferkapazität fast unvermindert durchströmen, was folglich zu entsprechend hohen Austrittskonzentrationen führt. Für die großtechnische Umsetzung wird deshalb ein geeignetes Puffersystem vorgeschaltet, das Spitzenbelastungen glättet und gleichmäßig dem Bio-Tricklingfilter zuführt. Außerdem kann der Bio-Tricklingfilter bei Bedarf zu einem zweistufigen System ausgebaut werden. Dadurch kann die erste Stufe mit einer hohen und die zweite Stufe mit einer tiefen Raumbelastung und einer jeweils angepassten Bakterienpopulation betrieben werden, was zu einer weiteren Reduktion der Austrittskonzentrationen führt.
Mit den erwähnten Anpassungen sowie innerbetrieblichen Maßnahmen wird ein durchschnittlicher Organika-Abbau im Bereich von 90 bis 95% erwartet. Aufgrund der hohen Abbauleistung des Bio-Trickklingfilters können die behördlichen Anforderungen hinsichtlich der maximalen Frachten, die täglich in die Atmosphäre gelangen dürfen, erfüllt werden, auch wenn konzentrationsbezogene Grenzwerte verfahrensbedingt kurzzeitig überschritten werden. Dank dieser fortschrittlichen Gesamtbetrachtung kann im vorliegenden Fall mit dem Bio-Tricklingfilter ein neuartiges System realisiert werden, das sich durch eine hohe ökologische und ökonomische Effizienz auszeichnet.
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