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Hilfe aus der Wüste

Chymosinsequenz aus dem Kamelmagen erhöht Leistungsfähigkeit von Milchgerinnungsenzym
Hilfe aus der Wüste

Auf der Fi Europe 2009 wurde Chy-Max M als Innovation des Jahres ausgezeichnet. Das Milchgerinnungsenzym, das in den Mägen von Kamelen entdeckt wurde und von Chr. Hansen durch Fermentation hergestellt wird, ist als vegetarisch, koscher und halal zertifiziert. Über die Herstellung und Wirkungsweise von Chy-Max M sowie die Unterschiede zum Vorgängerprodukt Chy-Max sprach dei mit Nicole Ulbrich. Sie ist als Anwendungstechnikerin Milchwirtschaft bei der Chr. Hansen GmbH in Nienburg tätig.

dei: Frau Ulbrich, die Erfolgsgeschichte von Chr. Hansen ist eng mit den Mägen von Kälbern und anderen Jungsäugetieren verbunden. Oder täuscht das?

Ulbrich: Nein ganz und gar nicht. Seit 1874 produziert und vertreibt Chr. Hansen standardisiertes Lab, das traditionell aus dem vierten Magen von Kälbern gewonnen wird – bis heute ein Schlüsselprodukt bei der Herstellung von Käse.
dei: Welche Rolle spielt das Lab bei der Herstellung von Käse?
Ulbrich: Unter Einbindung von Calcium bewirkt es eine Vernetzung der Kaseinmoleküle in der Milch. Dabei entsteht eine schnittfeste, gallertartige Masse. Durch Schneiden dieser Masse entsteht Käsebruch, der durch Pressen von der Molke getrennt wird und anschließend zu Käse reift. Verantwortlich für die Kaseinspaltung ist das im Lab enthaltene Chymosin, ein proteolytisches Enzym.
dei: Das heißt, das Chymosin tritt in Wechselwirkung mit dem Kaseinmolekül.
Ulbrich: Genau. Vereinfacht ausgedrückt, hat das Kaseinmolekül die Form einer Kugel. In dieser Micelle befinden sich das alpha-, beta- und gamma-Kasein. Auf der Oberfläche sitzt das kappa-Kasein. Dieses wird vom Chymosin angegriffen und spezifisch gespalten. Und nun kommen Van-der-Waals-Kräfte und hydrophobe Wechselwirkungen ins Spiel. Sie sorgen dafür, dass die Kaseinmoleküle ein Netzwerk bilden. Für uns ist dieser höchst komplexe Prozess als Koagulation, also als Ausbildung eines Gels, sichtbar.
dei: Nach wie vor stellt Chr. Hansen tierisches Lab her. Warum?
Ulbrich: Weil für die Herstellung bestimmter Käsesorten der Einsatz von tierischem Lab vorgeschrieben ist. Dazu zählen zum Beispiel einige Käsesorten aus der Schweiz und Frankreich, die ein AOC-Siegel tragen. Dieses Siegel garantiert Rohstoffe aus einem definierten geografischen Gebiet und traditionelle Herstellungsverfahren, die nur den Einsatz von angemeldeten Enzymquellen,, in unserem Fall von tierischem Lab, erlauben.
dei: Gibt es einen Unterschied zwischen tierischem Lab und dem fermentativ gewonnenen Chymosin wie Chy-Max und Chy-Max M?
Ulbrich: Vom Aufbau der Moleküle und der Wirksamkeit sind das fermentativ gewonnene Chymosin und das im tierischen Lab natürlich vorkommende Enzym identisch. Der Hauptunterschied liegt in der Reinheit. Das fermentativ gewonnene Produkt weist eine Reinheit von 100 % auf, während das tierische Lab neben Chymosin auch Pepsin enthält, wobei mit steigendem Alter der Kälber der Chymosin-Anteil sinkt.
dei: Erläutern Sie bitte in groben Zügen die fermentative Herstellung von Chymosin.
Ulbrich: Ausgangspunkt für diesen Prozess ist ein gentechnisch veränderter Aspergillus niger, der vor etwa 20 Jahren in Dänemark hergestellt wurde. In die DNA des Schimmelpilzes wurden Gene eingesetzt, die im Kälbermagen für die Produktion des Chymosins verantwortlich sind. Auf diese Weise wird der Pilz, der übrigens in unseren Laboratorien in Dänemark hergestellt wird, zu einer Mini-Chymosin-Fabrik. Die Pilzkulturen erreichen uns in tiefgekühltem Zustand. In Nienburg werden sie in einem Fermenter vorgezüchtet, das heißt es kommt zu einer einfachen Vermehrung der Biomasse des Pilzes. Danach überimpft man auf einen größeren Fermenter mit einem speziellen Nährmedium. Hier findet dann unter genau definiertem Druck und pH-Wert sowie einer bestimmten Temperatur die eigentliche Fermentation statt. Die Schimmelpilze produzieren Pro Chymosin B, das sie in das Nährmedium abgeben. Nach etwa fünf bis sieben Tagen ist dieser Prozess beendet. Es schließt sich nun ein Säureschritt an, mit dem der Aspergillus niger komplett inaktiviert wird. Gleichzeitig bewirkt dieser Schritt die Umwandlung des Pro Chymosin B in aktives Chymosin.
dei: Am Ende des Prozesses liegt das Chymosin also in gelöster Form in der Fermentationsbrühe vor?
Ulbrich: So ist es. Deshalb schließen sich nun mehrere mechanische und chromatografische Arbeitsschritte an, mit denen das Chymosin aus der Fermentationsbrühe abgetrennt wird. Am Ende entsteht eine Lösung, die zu 100 % Chymosin enthält. Diese Lösung – und das ist mir ganz wichtig zu betonen – ist frei von Aspergillus-niger-Resten und von Verunreinigungen, die enzymatische Nebenreaktionen verursachen könnten. Abschließend stellen wir die Chymosin-Lösung auf handelsübliche Lab-Stärken ein und stabilisieren sie durch Zugabe von Kochsalz und Natriumbenzoat.
dei: In welcher Form, liefern Sie das Chymosin an Ihre Kunden?
Ulbrich: In der Regel in gelöster Form, wobei die Lösungen ununterbrochen gekühlt werden müssen. In Fällen, in denen eine durchgängige Kühlkette nicht gewährleistet werden kann, liefern wir auch Chymosin in Pulverform.
dei: Das fermentativ gewonnene Chymosin vermarkten Sie unter den Markennamen Chy-Max und Chy-Max M. Was unterscheidet die beiden Produkte?
Ulbrich: Bei der Herstellung von Chy-Max ist Aspergillus niger mit der Chymosinsequenz aus dem Kälbermagen der Ausgangspunkt. Im Unterschied dazu arbeiten wir bei der Chy-Max-M-Produktion mit Aspergillus niger, in dessen DNA Gene aus dem Magen eines Kamels eingebaut wurden. Diese Kultur haben wir gemeinsam mit Wissenschaftlern der ETH Zürich entwickelt.
dei: Warum ausgerechnet die Chymosinsequenz aus dem Kamelmagen?
Ulbrich: Es zeigte sich, dass diese Kamel-Chymosinsequenz sehr gut für die Käseherstellung aus Kuhmilch geeignet ist. Mehr noch. In einigen Punkten ist es sogar dem Kälber-Chymosin, unabhängig davon, ob es traditionell oder fermentativ erzeugt wurde, überlegen.
dei: Welche Vorteile bietet Chy-Max M den Käseproduzenten?
Ulbrich: Es erhöht die Effizienz bei der Dicklegung der Käsereimilch. Das heißt, das Enzym ist aktiver, es hat eine höhere Lab-Stärke. Ein Maß hierfür ist die International Milk Clotting Unit. Dieser Wert ist bei Chy-Max M höher als bei anderen Labprodukten, sodass der Käseproduzent für einen bestimmten Gerinnungseffekt weniger Enzym einsetzen muss. Ein weiterer Vorteil ist, dass Chy-Max M sehr spezifisch wirkt und so bei kürzeren Prozesszeiten die Käseausbeute erhöht.
dei: Beeinflusst Chy-Max M auch den Geschmack des Käses?
Ulbrich: Ja. Aufgrund seiner äußerst geringen proteolytischen Aktivität spaltet Chy-Max M das Kaseinmolekül definiert zwischen den Aminosäuren 105 und 106, also zwischen Phenylalanin und Methionin. Diese Selektivität verhindert die Bildung von kurzkettigen Bitterpeptiden. Das Resultat ist ein Käse mit einem milden, abgerundeten Geschmack. Bei Käsesorten, die keiner Reifung unterzogen werden, beispielsweise Pizzakäse oder Mozarella, erhöht Chy-Max M auch die Festigkeit.
dei: Hat Chy-Max M auch Vorteile in puncto Prozessführung?
Ulbrich: Ja, denn das Enzym ist sehr robust und erleichtert dadurch die Prozesssteuerung. Milch ist ein Naturprodukt, das einer bestimmten Schwankungsbreite unterliegt. Dadurch ist beispielsweise der pH-Wert der Käsereimilch nie konstant. Im Unterschied zu anderen Gerinnungsenzymen verkraftet Chy-Max M derartige pH-Wertschwankungen problemlos und ohne Einbußen bei der Aktivität. Das heißt, die Prozessparameter müssen nicht nachgestellt werden. Ähnlich verhält es sich mit der Temperatur der dickzulegenden Milch. In Abhängigkeit von der Käsesorte liegt sie zwischen 30 und 38 °C. Untersuchungen und praktische Erfahrungen haben gezeigt, dass Chy-Max M im gesamten Temperaturbereich eine gleich bleibend hohe Aktivität aufweist und sehr hohe Gerinnungsgeschwindigkeiten sicherstellt. (le) Halle 9, Stand R 61
Online-Info www.dei.de/1110425
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